Spezialisten gesucht (m/w/d)

Auszeit mit

Die Sprache treibt ja bisweilen die seltsamsten Blüten. Mal abgesehen von diesem destruktiven Minimalismus, den die Kurznachrichten-Terminologie hervorgebracht hat, fragt man sich nicht selten, ob noch irgendwer da draussen versteht, was uns die diversen „Dichter“ mit ihrer Schreibe sagen wollen. Zum Beispiel in Stelleninseraten…

Immer wieder ist davon die Rede, dass, wer nicht mehr ganz jung aber noch im arbeitsfähigen Alter sei, oft Mühe bei der Stellensuche habe. Etwas in die Jahre Gekommene seien zu teuer oder zu wenig flexibel oder beides, heisst es in diesem Zusammenhang sehr oft. Bei anderen wird die Überqualifikation zum Problem. Dabei liegt der Hund oft ganz anderswo begraben. Manch ein älterer Stellensuchender scheitert, so einfach es sich anhört, an der Verständlichkeit der Ausschreibungen.

Dass ein hundskommuner Abwart inzwischen ein „Facility Manager“ ist, und der Personaldienst „Human Ressources“ heisst, haben auch die älteren Bewerber längst verinnerlicht. Dennoch fehlt wohl den nicht mehr ganz Jungen das Know-how, um beim einen oder anderen Jobangebot zu verstehen, worum es geht.

Was zum Beispiel ist – eben in einem Inserat gelesen – ein Full Stack Developer with C#.NET and TypeScript? Was ein Developer with C#.NET and TypeScript ist, hätte bestimmt noch jeder Laie ohne weiteres verstanden. Ein Developer with C#.NET and TypeScript ist, wie der Name eindeutig sagt, ganz einfach ein Entwickler mit C, Hashtag Punkt NET und einer bestimmten Programmiersprache namens TypeScript. Ob der Entwickler diese C Hashtag Punkt NET und TypeScript beim Stellenantritt schon beherrschen oder besitzen oder erarbeiten muss, kann er dann ja beim Bewerbungsgespräch immer noch in Erfahrung bringen.

Aber was zum Kuckuck ist Full Stack? Was Stuck ist, kann man den Gipser fragen, was ein Stock ist, wissen die Leute von der Börse, der Stick ist ein kleiner Bedienungshebel, und der Steck ist ein verstorbener Extrem-Bergsteiger. Aber was ist ein Stack?

Nun, prägen wir es uns für immer ein: „Full Stack Developer“ sind – so ist nachzulesen – „Programmierer, die in der Frontend- und der Backendentwicklung tätig sind.“ Alles klar?

Wie auch immer – es gibt zum Glück auch leichter verständliche Stellenangebote, wie etwa den Junior-Compliance-Officer-Business Support 80-100% (m/w/d). Hat wohl etwas mit Juniorenförderung oder allenfalls mit Offizieren zu tun, dieser Job.  Vielleicht suchen die Inserenten nach einer Art Offizier für den militärischen Vorunterricht oder einen Supporter, also Unterstützer des Offiziers im militärischen Vorunterricht. Sei´s drum… und das (m/w/d) deuten wir dahingehend, das sich sowohl männliche wie weibliche Interessierte melden können und natürlich ausserdem auch Dragqueens willkommen sind. Möglicherweise aber steht das kleine d aber auch für Deutsch. Das würde wiederum bedeuten, dass die gesuchte Person zwar grosse Fähigkeiten im Entziffern englischer Stelleninserate haben sollte, aber daneben durchaus auch noch etwas Deutsch verstehen darf.  

By the way: das „d“ steht tatsächlich für „divers“ und meint ein drittes Geschlecht. Damit sollen bei Stellenausschreibungen auch intersexuelle Menschen explizit angesprochen werden.

Wieder etwas anspruchsvoller wird es bei Product Owner IIoT. Wir verstehen Produkt (Product) und Eigentümer (Owner) – danach allenfalls noch Bahnhof. IIoT…bitte? Weil das Internet heutzutage ja wirklich alles erklärt, werden wir auch bei „IIoT“ fündig: „Das Industrial Internet of Things (IIoT) stellt die industrielle Ausprägung des Internet of Things (IoT) dar. Es repräsentiert im Gegensatz zum IoT nicht die verbraucherorientierten Konzepte, sondern konzentriert sich auf die Anwendung des Internets der Dinge im produzierenden und industriellen Umfeld.“ Uff…

Da werden ganz eindeutig Spezialisten und keine Laien angesprochen.

Wir stellen fest – mit der Formulierung einer Job-Annonce lässt sich schon mal eine Selektion machen. Diese Art der Triage bringt den Vorteil, dass die Bewerbungsberge nicht allzu sehr in den Himmel wachsen, und der Human Ressource Mitarbeiter angesichts der Bewerbungs-Flut nicht zur Unzeit die Flinte ins Korn wirft.

Die ersten, die bei dieser Auswahl-Strategie auf der Strecke bleiben, sind – machen wir uns nichts vor – die älteren Stellensuchenden. Dass sie sich frustriert zu den „einfacheren“ und besser verständlichen Angeboten zurückziehen, liegt auf der Hand. Solche von kryptischen Anglizismen triefende Stellen-Anzeigen können für ältere Jobsuchende schon mal entmutigend sein. Doch selbst wer bei der Lektüre von diesen einen leichten Juckreiz (Englisch „itchiness“) verspürt, braucht nicht zu verzweifeln.

Es werden auch „Hautdiagnose-Beraterinnen im Aussendienst“ gesucht. Das ist mehr oder weniger Deutsch und kann zumindest nicht missinterpretiert werden.

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