Das unheimliche Wirken des Klinik-Keims

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Er ist nach wie vor sehr gefährlich und schwer zu bekämpfen.

In der Schweiz ist es überhaupt kein Einzelfall, dass sich zahlreiche Patienten im Spital mit einem Klinik-Keim infizieren. Ein Grund sind die immer und überall fast schon «normalen» Hygienemängel, wie erst kürzlich eine Studie der Heilmittelbehörde Swissmedic aufzeigte. 

Jährlich sterben geschätzt 6000 Patienten an einer Spitalinfektion. 

Ein gefürchteter Spitalkeim ist der Pseudomonas aeruginosa. Dieses widerstandsfähige Bakterium besiedelt die Hautoberflächen und die Schleimhäute und kann insbesondere bei immungeschwächten Patienten die lebensbedrohlichen Lungenentzündungen hervorrufen.

Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Urs Jenal vom Biozentrum der Universität Basel hat nun herausgefunden, warum Pseudomonas aeruginosa so erfolgreich im Besiedeln der Oberflächen ist. 

Er setzt nämlich auf eine Arbeitsteilung:

Während ein Teil der Bakterienpopulation sich auf der Schleimhaut in Form eines Biofilms festsetzt, schwärmt der andere Teil aus, um weite Bereiche des Gewebes zu besiedeln. 

Durch diese Arbeitsaufteilung gelingt es den Bakterien, sich erfolgreich auf den Gewebeoberflächen niederzulassen. Und im Schutz des Biofilms widerstehen sie sogar den Antibiotika-Therapien, die dann regelmässig aufgegleist werden.

In ihrer unlängst in «Nature Microbiology» erschienen Studie berichten die Forschenden von einem «genetischen Zufallsschalter», der für diese Aufgabenverteilung zuständig ist und damit über die Lebensweise der Bakterien, die «bewegliche» oder die «sesshafte», entscheidet. Nach der Erstbesiedlung der Schleimhaut vermehren sich die Keime nicht einfach so, sondern sie bilden 2 verschiedene Typen von Nachkommen.

Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Mengen des bakteriellen Botenstoffs c-di-GMP. Bakterien mit einem hohen c-di-GMP-Spiegel setzen sich fest und leben in einer Biofilm-Gemeinschaft. Diejenigen mit geringen Spiegeln sind hingegen mobil und schwärmen in das umliegende Gewebe aus, um sich dann an anderer Stelle in der Lunge anzusiedeln. 

Die Konzentration von c-di-GMP und damit das Verhalten dieser Bakterien, regelt dieser «Schalter» rein nach dem Zufallsprinzip.

«Die Arbeitsteilung erlaubt es den Bakterien rasch auf verschiedenste Arten von Stress oder widrige Lebensbedingungen zu reagieren, denn zu jeder Zeit gibt es einige unter ihnen, die optimal angepasst sind und überleben», erklärt Frau Dr. Christina Manner, Erstautorin der Studie. 

Bakterien in der Biofilm-Gemeinschaft sind beispielsweise vor Angriffen durch Immunzellen geschützt, zugleich können alle beweglichen Bakterientypen neue Gebiete erobern. 

Diese Aufgabenteilung wird auch als «stick and run» Mechanismus bezeichnet: als «bleiben und gehen».

«Wir verstehen jetzt besser, wie es Pseudomonas aeruginosa gelingt, auf der Lungenschleimhaut so gut zu gedeihen und sich dort dauerhaft einzunisten.», sagt Projektleiter Prof. Urs Jenal. 

«Mit der Identifizierung des genetischen Schalters haben wir eine Achillesferse des Erregers entdeckt.»

Die Studie liefert somit nicht nur nützliche Einblicke in das Infektionsgeschehen, sondern zeigt neue therapeutische Möglichkeiten auf, um diese Infektionen mit dem gefährlichen Spital-Keim mal in den Griff zu bekommen.

«Wir haben zeigen können, dass der kürzlich entdeckte Anti-Biofilm Wirkstoff Disperazol über denselben Mechanismus wirkt und den Schalter so umlegt, dass nur bewegliche Pseudomonas-Typen entstehen. Dadurch löst sich der Biofilm komplett auf.», fügt Prof. Jenal hinzu. 

«Das ist ein grosser Fortschritt, denn mit solchen Verbindungen eröffnen sich neue Möglichkeiten, gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Biofilmen auf den Leib zu rücken.»

Originalpublikation:

Christina Manner, Raphael Dias Teixeira, Dibya Saha, Andreas Kaczmarczyk, Raphaela Zemp, Fabian Wyss, Tina Jaeger, Benoit-Joseph Laventie, Sebastien Boyer, Jacob G. Malone, Katrine Qvortrup, Jens Bo Andersen, Michael Givskov, Tim Tolker-Nielsen, Sebastian Hille

r, Knut Drescher & Urs Jenal.

A genetic switch controls Pseudomonas aeruginosa surface colonization.

Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-023-01403-0

Foto: dpa/Daniel Karmann

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