Ein Helm gegen Alzheimer

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Wurde kürzlich in Basel entwickelt!

Denn mit der elektrischen Reizung bestimmter Hirnareale können degenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson möglicherweise ganz gut therapiert werden. 

Das zeigten die wissenschaftlichen Studien der letzten Jahre, sagt der Forscher Dr. Bekim Osmani, Mitgründer & CEO von Bottneuro, einem Spin-off des Departements Biomedical Engineering der Universität Basel.

Die gezielte Stimulation der Hirnareale durch die Schädeldecke ist allerdings ein schwieriges Unterfangen. Denn die unterschiedlichen Kopfformen & Gehirngrössen der Menschen verunmöglichen eine Standarttherapie. 

Mit dem Neurostimulator Miamind bietet Bottneuro nun eine personalisierte Lösung. 

Das in Basel entwickelte System besteht aus einem passgenauen Helm, der mit 34 Elektroden ausgestattet ist. Die exakte Form des Helms und die Platzierung der Elektroden wird für jeden Patienten anhand eines MRI-Scans von Kopf & Gehirn bestimmt und dann am Computer modelliert. 

Ein 3D-Drucker produziert den fertigen Helm, der perfekt auf dem Kopf sitzt.

«Wir entwickeln das erste medizinische Gerät, das eine personalisierte Elektrostimulationstherapie in einem mobilen Gerät anbietet.», sagt Bekim Osmani. 

Zum Helm gehören ein Schultergürtel, in dem die Elektronik zur Steuerung der Elektroden untergebracht ist, und ein Tablet. Damit kann der Patient die Therapie starten. Miamind erzeugt über die 34 Elektroden elektrische Felder, die spezifische Hirnregionen anregen. Mit denselben Elektroden kann das Gerät anschliessend auch ein Elektroenzephalogramm (EEG) erstellen und die Veränderungen der Hirnströme messen.

Bisher mussten die PatientInnen für Therapien mit ähnlichen Systemen in die Klinik gehen, sagt Forscher Osmani. 

«Die Therapie konnte nur mit externer Hilfe und aufwendigen Forschungsgeräten durchgeführt werden.»

Jetzt ist eine unabhängige Anwendung zu Hause möglich. Die Messdaten werden dem behandelnden Neurologen danach automatisch in die Klinik übermittelt.

Nicht nur die mobile Anwendbarkeit des Geräts ist ein Fortschritt. 

Auch die individuelle Platzierung der Elektroden je nach Grösse & Form des Gehirns ist therapeutisch interessant.

 «Wir können so sehr genau bestimmen, welche Areale elektrisch stimuliert werden.», sagt der Neurobiologe Dr. Alois Hopf, Chief Scientific Officer von Bottneuro

Die Stimulationstherapie lässt sich aufgrund des Therapieziels der behandelnden ÄrztInnen auf die betroffenen Hirnareale abstimmen. 

Dieser passgenaue Helm stellt gleichzeitig sicher, dass bei jeder Therapiesitzung an exakt denselben Stellen des Kopfes stimuliert wird.

Firma, Cash & Marktpotential:

Bottneuro entwickelte zusammen mit Elektronikpartnern in der Schweiz Hard- und Software für dieses Gerät. Investoren und Stiftungen finanzierten die Entwicklung des Spin-off-Unternehmens mit bisher sieben Millionen Franken. 

Mit der kürzlich erfolgten Registrierung als medizinisches Gerät durch Swissmedic ist Bottneuro in eine neue Entwicklungsphase getreten. 

Nun wird die Wirksamkeit der Elektrostimulation in klinischen Tests untersucht. In einer ersten Phase mit vorerst acht Probanden testet das Unternehmen die Sicherheit und Verträglichkeit von Miamind

  • Haben die Elektrostimulationen einen Einfluss auf die Aufmerksamkeit der Probanden? 
  • Wie funktioniert die Bedienung des Geräts in der Praxis? 

Solche Fragen studiert das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Prof. Raphael Guzmann, Chefarzt der Neurochirurgie am Universitätsspital Basel. 

Er ist auch Mitgründer von Bottneuro.

«Mobile Stimulationsgeräte haben Potential für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen.», sagt er. 

Erste Studien deuten auf Effekte zum Beispiel bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer hin. Auch bei Epilepsie oder einem Hirnschlag könnte die Technologie funktionelle Verbesserung für die Patientinnen bringen. 

Gleichzeitig betont Prof. Guzman, dass der Weg zu einem Wirksamkeitsnachweis von Miamind noch weit ist. 

«Dazu braucht es randomisierte klinische Studien bei betroffenen Patienten.»

Solche Studien sind äusserst aufwendig und teuer. 

Die Kosten für entsprechende Studien liegen in der Grössenordnung von 20 bis 50 Millionen Franken. Die Firma hofft mit der Registrierung in Deutschland und in den USA auch Zugang zu ausländischen Investoren zu finden.

Doch bereits jetzt sucht Bekim Osmani nach Kunden, die das Gerät bei ihren Patientinnen einsetzen möchten. 

«Wir sehen Interesse bei exklusiven Privatkliniken in der Schweiz und in England, die ihren Patienten innovative therapeutische Anwendungen anbieten.»

Das Gerät kostet derzeit etwa 50’000 Franken pro Jahr im Mietmodell oder kann für 190’000 Franken auch gekauft werden.

«Man muss die derzeit noch hohen Kosten des Geräts auch im Verhältnis zum kürzlich in den USA zugelassenen Alzheimer-Medikament Lecanemab sehen.», sagt Osmani. 

Die Gesamtkosten liegen dort bei ca. 80’000 Franken pro Jahr. Bei der Herstellung grösserer Stückzahlen werde auch der Preis von Miamind um einen Faktor 5 sinken.

Neben Alzheimer wäre ein 

  • Einsatz auch bei einem Hirnschlag, 
  • bei schweren Depressionen, 
  • bei Epilepsie oder 
  • bei Parkinson vorstellbar. 

Der Nachweis, ob dieses neuartige Gerät aus Basel für irgendeine der schwerwiegenden Krankheiten einen Nutzen bringt, muss

allerdings erst noch erbracht werden.

Quelle: Departement Biomedical Engineering an der Universität Basel.

Fotos: Roland Schmid, Uni Basel

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