(Udligenswil)(PPS) Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist klar: Nur wenn es zwingend notwendig ist, soll eine Beistandschaft errichtet werden. In der Öffentlichkeit und Politik wird kritisiert, dass Berufsbeistandspersonen zu oft wechseln würden, überlastet und schlecht erreichbar seien. Zudem wird diskutiert, ob Privatpersonen und Familienangehörige den Berufsbeistandspersonen generell vorzuziehen seien. Die Praxis zeigt, dass in vielen Fällen von ausserordentlichen Lebenssituationen eine Privatperson für die Führung des Mandats nicht ausreichend geeignet ist. „Wo Professionalität und Spezialwissen in der Beistandschaft notwendig werden, ist eine fachlich ausgebildete Berufsbeistandsperson schlichtweg unverzichtbar“, betont Dr. Ignaz Heim, Präsident des SVBB.
Mit der Neuorganisation der über 1000 Vormundschaftsbehörden in 140 KESB anfangs 2013 wurde eine Professionalisierung des Kindes- und Erwachsenenschutzes angestossen. Die Sozialen Dienste, welche die Berufsbeistandspersonen beschäftigen, waren von dieser Reorganisation kaum betroffen. Die fachlichen Anforderungen sind dafür stark gestiegen.
Die jetzigen Empfehlungen der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) für die Organisation der Berufsbeistandschaften, die an die Arbeitgeber der Berufsbeistandspersonen, Kantone, Städte, Verbände und Gemeinden gerichtet sind, sind deshalb ein fälliger Anstoss zur weiteren Professionalisierung in der Führung der Beistandschaften. Die Empfehlungen, die von der KOKES am 5.8.2021 publiziert wurden, sind breit abgestützt und in enger Zusammenarbeit mit dem SVBB, der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und –direktoren (SODK) und dem Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) erarbeitet worden.
Empfehlungen der KOKES
Die Professionalisierung und Attraktivität der Arbeitssituation der Berufsbeistandspersonen soll mit konkreten Empfehlungen an die Arbeitgeber schweizweit weiter gesteigert werden.
Aus Sicht des SVBB ist die Umsetzung folgender drei Empfehlungen der KOKES besonders wirksam:
- Leitung durch ausgewiesene Führungspersonen: Leitungspersonen befinden sich im Spannungsfeld unterschiedlichster Interessen und müssen nachhaltige Entscheide für den ganzen Bereich treffen können. Ausgewiesene Führungskompetenzen sind dabei unabdingbar. Personelle Interessenskollisionen sollen vermieden werden, indem die Leitungsfunktion und die Führung von Mandaten nicht von der gleichen Person übernommen werden. Die Führung der Organisation soll deshalb mit einem ausreichenden Pensum ausgestattet werden.
- Spezialisierung auf Kindes- und Erwachsenenschutz: Die beiden Gebiete verlangen unterschiedliche Fach- und Sozialkompetenzen, um bedürfnisgerecht Familien, Kinder und Erwachsene unterstützen und vertreten zu können. Damit diese beiden Empfehlungen umgesetzt werden können, sollen die Berufsbeistandschaften eine Mindestgrösse von fünf bis sechs Berufsbeistandspersonen aufweisen.
- Weiter- und Fortbildung: Die Anforderungen an diese Berufsgruppe sind in ihrer breiten Vielfalt heute beispiellos und weiter steigend. Damit diese qualitativ hochwertigen Betreuungsleistungen erbracht werden können, benötigen geeignete Berufsbeistandspersonen neben Zeitressourcen spezifische fachliche und persönliche Qualifikationen. Diese setzen sich aus Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen zusammensetzen. Jede Beistandschaft ist individuell. Viele Beistandschaften verlangen Spezialwissen in rechtlichen, vermögensrechtlichen, pädagogischen, medizinischen und psychiatrischen Fragen. Keine Beistandsperson ist in allen Bereichen trittsicher. Kein Ausbildungsgang liefert für die breiten fachlichen Anforderungen per se das ausreichende Rüstzeug. Weiterbildung, Wissensmanagement, Qualitätssicherung und Unterstützung durch Expertinnen und Experten dürfen nicht nur den Diensten der grossen Städte möglich sein. Auch kleineren Dienste sollen dafür Ressourcen zur Verfügung stehen.
Zu lange Umsetzungsfrist
Der SVBB erwartet von der Umsetzung der Empfehlungen eine Stärkung der Attraktivität des Berufsstandes. Er unterstützt die Empfehlungen der KOKES uneingeschränkt. Sie sind Voraussetzung dafür, dass die regelmässig von Betroffenen und Angehörigen kritisierten Beistandswechsel zurückgehen. Neben der Fachkompetenz ist die Konstanz in der Betreuung die Bedingung, dass die vitalen Interessen der betroffenen Personen – wie Schutz der Menschenwürde und die Förderung der Selbstbestimmung – ausreichend sichergestellt werden.
Der SVBB kritisiert in diesem Zusammenhang die zu lange Umsetzungsfrist von 10 bis 15 Jahren. Der politische Wille deckt sich nicht mit der realen Arbeitssituation der Berufsbeistandspersonen und den Bedürfnissen der verbeiständeten Personen. „Es ist zu hoffen, dass viele Arbeitgeber dennoch die Notwendigkeit des Handlungsbedarfs erkennen und mit der Umsetzung der wichtigen Empfehlungen der KOKES nicht zu lange zuwarten“, betont Dr. Ignaz Heim, Präsident des SVBB.