Kommunikation der Krebszellen unterbinden

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Aus Basel mit seiner ausgebauten Grundlagenforschung gibt es mal wieder Neues zu berichten.

Bekanntlich befällt jeden Zweiten von uns eine Krebsart. Das belegt die bisherige Statistik über das vergangene und das aktuelle Geschehen. 

Wenn dieser Krebs dann streut, verschlechtert sich die Prognose bezüglich der Wiedererlangung der vollständigen Gesundheit rapide. Was also soll man jetzt tun?

Weiterblättern, nicht weiterlesen und wieder verdrängen hilft zwar im Moment und vermeidet das (schmerzvolle) Nachgrübeln über dieses harte Thema. Macht aber wenig Sinn. Mit Hoffnung statt mit Angst zu leben war schon immer schwieriger. Weiterlesen verhilft aber immer zu mehr Wissen und letztlich zu mehr Hoffnung und ist so nachhaltiger. 

Denn die Grundlagenforschung zeigt derzeit immer neue Wege auf, wie sich die gefürchtete Streuung bei Tumoren verhindern liesse.

Zum Beispiel verursacht der oft diagnostizierte Eierstockkrebs deshalb keine Schmerzen, weil er im Becken und in der Bauchhöhle eher viel Raum & Zeit zum Wachsen hat. So kann er sich quasi «still und heimlich» ausbreiten und wird oft so spät entdeckt, wenn er bereits gestreut hat. Metastasen verbreiten sich bei Eierstockkrebs relativ schnell, beschränken sich aber meist auf den Bauchraum. Neben den Eileitern können die Tochtergeschwüre das Bauchfell, die Lymphknoten und den Verdauungstrakt befallen. Das macht die Ovarialkarzinome aber insgesamt zur tödlichsten Krebsart bei Frauen.

Damit Tumore überhaupt streuen können, müssen ihre Zellen wandlungsfähig sein. Ihr Weg durch den Bauch führt sie durch die Blutbahn und das Lymphsystem, und das ist ein ganz anderes Milieu als das Eierstockgewebe, aus dem sie entstammen. 

Die Fähigkeit der Krebszellen, sich daran – an diese neue Umwelt –  an zu passen, bezeichnen Fachleute als zelluläre Plastizität. Sie basiert auf einem speziellen Vorgang, einer Art Metamorphose, bei der die Zellen ihre Form und ihre Eigenschaften verändern. 

Fachkreise nennen diese Metamorphose «Epithelial-Mesenchymale Transition» (EMT), und sie hat auch ihr Gutes, denn den gleichen Vorgang braucht es für die Embryonalentwicklung und die Wundheilung. Aber er erlaubt es eben auch den Krebszellen, sich vom Primärtumor zu lösen und dann auszubreiten.

Manche Krebszellen verharren in einem Zwischenstadium ihrer Metamorphose.«Diese Krebszellen sind die beweglichsten und treiben die Metastasierung voran.», so Francis Jacob, der am Departement Biomedizin der Universität Basel am Eierstockkrebs forscht. 

Er sucht Methoden, die diese Tumorzellplastizität zu verhindern. Sein Ansatzpunkt sind spezielle Moleküle, die in grosser Vielfalt auf den Oberflächen von Körperzellen vorkommen. Glykolipide, so der Name dieser Moleküle, bestehen aus einem Zucker- und einem Fettanteil. Sie sind als Bestandteile jeder Zellmembran allgegenwärtig in unserem Körper: «Sie bestimmen beispielsweise, welcher Blutgruppe man angehört. Einige Glykolipide kommen auch auf Stammzellen vor und tragen zu deren besonderen Eigenschaften bei.», erklärt uns Forscher Jacob.

Sein Hauptaugenmerk gilt aber einer Untergruppe der Glykolipide, die vermehrt auf den streuenden Eierstocktumorzellen auftauchen und für ihre Metamorphose wichtig sind: sie helfen den Tumorzellen dabei, die zelluläre Plastizität zu erlangen und Informationen von Krebszelle zu Krebszelle weiterzureichen. Ein zellulärer «Verständigungsapparat» also: die eine Krebszelle «signalisiert» der benachbarten Krebszelle mittels spezieller Glykolipide, wie sie sich zum Beispiel an die Bedingungen in der Blutbahn anpasst.

Wie lässt sich diese Kommunikation der Krebszellen unterbinden? 

Die Lösung könnte im Repertoire der Glykolipide liegen, also der Gesamtheit der verschiedenen Typen dieser Moleküle an der Oberfläche einer Zelle. «Es ist eine Art Fingerabdruck, über den Zellen sich gegenseitig erkennen und miteinander kommunizieren können. Diesen Fingerabdruck wollen wir entschlüsseln, um die Kommunikation zwischen Krebszellen besser zu verstehen und so zielgerichtetere Therapiemöglichkeiten zu eröffnen.», führt Francis Jacob aus.

Bisher zielte die Behandlung von Eierstockkrebs nämlich auf bestimmte Proteine, die zwar auf den Tumorzellen vermehrt vorkommen, aber auch an der Oberfläche gesunder Zellen sitzen. Daher sei die bisherige Therapie nicht so spezifisch, wie man es sich wünschen würde, so der Forscher Jacob weiter.

Zwei neue Therapieansätze hält Francis Jacob für möglich. Entweder könnte man die für den Krebs charakteristischen Glykolipide attackieren, analog zu den gängigen Krebstherapien, die ein für Tumorzellen mehr oder weniger spezifisches Protein angreifen.Oder man zwingt metastasierende Tumorzellen, ihre Metamorphose rückgängig zu machen und in ihre Ursprungsform zurückzukehren. Dies könnte die Streuung dann verlangsamen oder gar unterbinden.

Auf der Suche nach einem Wirkstoff, der diese Rückumwandlung ermöglichen könnte, gibt es bereits Anhaltspunkte: zum Beispiel kann das Toxin des Cholera-Erregers die Metamorphose rückgängig machen und so die Metastasierung verringern. Eine Entdeckung, die auf den US-amerikanischen Wissenschaftler Robert A. Weinberg zurückgeht. 

Dem Team um Francis Jacob gelang es, diese Entdeckung zu ergänzen: «Wir haben gezeigt, dass bestimmte Glykolipide an dieser Rückumwandlung entscheidend mitwirken – ohne sie würde das nicht so gut funktionieren.»

Nun muss das Forschungsteam nur noch einen Stoff finden, der weniger gefährlich ist als das Cholera-Toxin, aber genauso an den richtigen Typ von Glykolipiden bindet. 

Damit liesse sich das Kommunikationssystem zwischen den Krebszellen stören. Diese wären nicht mehr in der Lage, sich beim Streuen so flexibel auf neue Umgebungen einzustellen. 

Ein weiterer Schritt im Kampf gegen die allseits gefürchteten Metastasen. Und für den Durchschnittsbürger gut verständlich.

Quelle: 

https://biomedizin.unibas.ch/en

/research/research-groups/heinzelmann-lab/

Francis Jacob, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter in der Forschungsgruppe Eierstockkrebs am Departement Biomedizin.

Foto: Krebsinformationsdienst

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