For the Good of the Game!

Auszeit mit

Überraschung, Überraschung! Beim G20-Gipfel in Bali taucht unvermittelt einer auf, der – mit Verlaub – nirgends weniger zu suchen hat als dort: der glatzköpfige Oberhirte der FIFA, Gianni Infantino. Untergehakt und beklatscht von Joko Widodo, dem indonesischen Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, dem US Midterm-Sieger Joe Biden, und anderen Polit-Honoratioren von Argentinien bis Saudi-Arabien, ergreift der Luftheuler vom Fussball-Olymp sogar noch das Wort und fordert von Russen und Ukrainern einen Waffenstillstand während der Fussball-Weltmeisterschaft, die am kommenden Sonntag mit der Partie von Gastgeber Katar gegen Ecuador ihren Anfang findet. Sport und Politik… Wie war das noch einmal? Ist nicht Infantino selber, der blauäugigste unter den Blauäugigen, der ignoranteste unter den Ignoranten, auch rund 300 Jahre nach der Aufklärung noch immer der absolut irren Meinung, Sport und Politik hätten nichts miteinander zu tun?

Seinen Sinneswandel subsummieren wir mal grosszügigerweise unter der Erklärung «Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage».

Dennoch, dieser mehr als politische Aufruf eines – zugegeben kraftlosen und unqualifizierten – Weltsport-Leaders zum Waffenstillstand. Wir verstehen nur zu gut, dass männiglich die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Ein «Schweizer» auf internationaler Friedens-Mission…

Der einzige Schweizer, übrigens. Denn: obwohl sich die G20 (auch) mit Fragen des internationalen Finanzsystems befasst, wurde die Schweiz, einer der wichtigsten Finanzplätze der Welt, nicht in die G20 aufgenommen. Aber ausgerechnet der Chef-Guru des korruptesten, geldgierigsten und wohl auch kriminellsten Welt-Fachverbandes darf seinen Mahnfinger gegen Sachverhalte erheben, die «seiner» Skandal-Veranstaltung Aufmerksamkeit entziehen könnten. Wir lachen uns einen doppelten Knopf in die Krawatte!

Ironie am Rande: offenbar meint «Sidi» Gianni, publikumswirksam Moralin verspritzen zu müssen, um wenigstens ein kleines bisschen als Gutmensch wahrgenommen zu werden und seine Versäumnisse in der «Causa Katar» unter den Teppich kehren zu können.

Herr Infantino – so einfach ist es aber nicht!

Vielleicht sollte der Sonnenkönig vom Zürichberg mal kurz vom Thron steigen, um der Realität auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn schon (vernünftigerweise) dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine der Stecker gezogen werden soll, dann müsste Gleiches auch mit der Fussball-Weltmeisterschaft in Katar geschehen. Da jedoch die autokratische katarische Herrscher-Familie in den verflossenen zehn Jahren hunderte von Millionen nachweislich in die Bestechung von hohen Funktionären und Politikern, in die Beschattung und Manipulation von schwergewichtigen Schlüsselfiguren und in die vermeintliche (aber nie durchgesetzte!) «Renovation» eines rückständigen politischen Systems und seine menschenrechtswidrige Gesetzgebung investiert hat, verstummte ausgerechnet die Kritik jener, die auch im Nachgang eine Fussball-Weltmeisterschaft in Katar hätten verhindern können. Ihnen zu unterstellen, sie hätten sich im Anblick eines prall mit Banknoten gefüllten Couverts mit dem Absender «Al Thani» fürs Schweigen entschieden, mag letztlich dennoch so falsch nicht sein. Die Kataris kennen sich damit aus. Sie nennen es unverdächtig «Sportswashing» und erhoffen sich durch die Investition in welche Grossveranstaltungen auch immer einen Imagegewinn für ihren Kleinstaat. Dessen «Sponsoring» für verschiedenste terroristische Organisationen sowie sein Verfahren mit Frauen- und Arbeitsmigranten-Rechten von den verschiedenen Nachbarstaaten im Übrigen nicht grundlos mit Argwohn und Besorgnis zur Kenntnis genommen werden.

Sei’s drum… der eigentliche Skandal ist mit Bestimmtheit nicht, dass die Kataris mit allen ihnen zur Verfügung stehenden (Geld-)Mitteln versuchen, ein «Fest» nach ihren – wiewohl bescheidenen – Vorstellungen aus dem Boden zu stampfen. Der wirkliche und wahrhaftige Skandal ist die Tatsache, dass der Golfstaat bei der Vergabe 2010 überhaupt zum Handkuss gekommen ist! Mit der – erwiesenermassen – miserabelsten Bewerbung, gegen die Konkurrenz aus Australien, Japan, Südkorea und den USA. Spätestens als 2015 im Zuge der Ermittlungen gegen zahlreiche FIFA-Exekutivkomitee-Mitglieder ruchbar geworden war, dass sich Katar die WM mit exorbitanten Bestechungszahlungen erkauft hatte, hätte der Weltverband die Notbremse ziehen müssen. Unvermittelt und ohne zu zögern. Indessen, es fand sich niemand, der den Mut gehabt hätte, sich mit einem in Richtung Neuvergabe gehenden Postulat unbeliebt zu machen. Wohl auch vor dem Hintergrund, dass die Russland-WM 2018 ähnlich ergaunert worden war.

So verrieten die FIFA-Funktionäre quer über den Globus zum x-ten Mal ihr einst geschaffenes Credo «For the Good of the Game», das sie eigentlich dazu anleitete, für das Gute des Spiels einzustehen, und ihnen als moralischer, ethischer und sportlicher Massstab dienen sollte. Zwei Wallisern jedoch ist es gelungen, einen nicht allzu schlecht gemeinten Vorsatz ad absurdum zu führen: Joseph «Sepp» Blatter und Gianni Infantino. Sie sind die eigentlichen Verräter an einem Sport, der in den vergangenen Jahren von irgendwelchen Grosskotzen mit prall gefüllten Brieftaschen unterwandert worden ist. Ihre Gier nach immer noch mehr hat Entwicklungen wie in Paris oder auf der britischen Insel (mit Gross-Investoren aus dem arabischen Raum) erst ermöglicht. Normal ist das alles nicht mehr. Und zu verhindern vermutlich auch nicht.

Es sei denn, die Stimmen von Unbestechlichen, wie jene der norwegischen Fussballbunds-Präsidentin Lisa Klaveness oder der Australierin Bonita Mersiades, der einstigen Kommunikationschefin der australischen WM-Bewerbung für 2022, werden künftig noch lauter und werden – vor allem – gehört. Klaveness wagte es am FIFA-Kongress vor ein paar Monaten in Katar, die Missstände bezüglich der Menschenrechte und dem Umgang mit den Baustellen-Toten im WM-Ausrichter-Land anzuprangern. Mersiades ihrerseits erhebt in ihrem neuen Buch «Whatever it takes» massivste Vorwürfe gegen die FIFA, die ihre eigenen Spielregeln konstant verletzt und unterminiert. Dass Leute wie Gianni Infantino und seine Funktionärs-Riege die Kritik süffisant weglächeln, spricht für sich. Sie haben sich schon lange zu Komplizen der Wüsten-Milliardäre gemacht. Sie sind alle käuflich, was Scheich Al-Thani und seine Familie ohne schlechtes Gewissen zu ihren Gunsten ausgenützt haben.

Wer sollte ihnen das zum Vorwurf machen? Sie kämpfen mit den Mitteln, die in ihren Kreisen üblich und Alltag sind. Infantino und seine Leute finden daran nichts Verwerfliches!

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