Im Wettlauf mit unbekannten Bakterien

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Der vor kürzlich erfolgte Forschungs-Durchbuch der ROCHE AG bei der Wirksamkeit eines neuen Medikamentes gegen die weltweit gefürchteten multiresistenten Bakterien hat alle speziell Interessierten und «Otto Normalleser» beruhigt:

https://www.bazonline.ch/antibiotikaresistenz-roche-entwickelt-antibiotikum-gegen-superkeime-296254226318

Im letzten Artikel 2023 wurden an dieser Stelle die multirestenten Bakterien thematisiert, die für den Menschen fast immer tödlich sind, weil diese jahrelang gut heilenden Antibiotika nun eben nicht mehr anschlagen und so vollkommen wirkungslos sind:

Im Krankenhaus/Spital tauchen immer wieder mal unbekannte Keime auf.  Kürzlich wurden in Basel 35 neue Bakterien entdeckt.

Denn, ein Team der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel hat Patientenproben, die solche unbekannten Keime enthalten – seit mehr als 7 Jahren – also seit 2014 systematische gesammelt & untersucht.

Die Behandlung von bakteriellen Infektionen verläuft bekanntlich effektiver, wenn der Auslöser der Krankheit schon mal bekannt ist. Durch die Analysen im medizinischen Labor gelingt es in den meisten Fällen auch die verantwortlichen Keime klar zu identifizieren. 

Doch manchmal stossen die Analysemethoden (die bisherigen Routinemethoden) an ihre Grenzen – etwa, weil die Bakterienart noch nicht bekannt ist oder ausserordentlich aufwändig zu züchten ist. Und welches normal finanzierte Spitallabor kann und will sich aufwändige Analysen leisten? Vermutlich keines.

Insgesamt analysierte das Forscherteam um den Basler Mikrobiologen PD Dr. Daniel Goldenberger 61 unbekannte bakterielle Keime, die aus den Blut- oder Gewebeproben von Patientinnen und Patienten mit den verschiedensten Erkrankungen stammten. 

Und: für keines dieser Isolate lieferten die konventionellen Labormethoden wie Massenspektroskopie oder die Sequenzierung eines kleinen Stückes des Erbguts einen Treffer. 

Also wurden die Analysemethoden ausgeweitet und zugleich verfeinert. 

Die Forschenden sequenzierten nun das gesamte Erbgut der Bakterien mit einer Methode, die erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht. Die ermittelten Genomsequenzen glichen sie dann mithilfe eines Online-Tools mit den bereits bekannten Bakterienstämmen ab.

Wie sich dabei herausstellte, waren 35 der oben erwähnten 61 Bakterien bisher nicht bekannt. Die restlichen 26 Stämme von den gesamthaft 61 stuften die Forschenden als schwer identifizierbar ein: deren Genomsequenzen waren erst seit Kurzem in Datenbanken abgelegt oder die Keime wurden erst vor ganz kurzer Zeit korrekt taxonomisch beschrieben. 

Die Evaluation von Patientendaten ergab, dass von den 35 neuen Stämmen sieben klinisch relevant sind – das heisst, sie können beim Menschen bakterielle Infektionen verursachen. 

«Ein solcher direkter Abgleich zwischen neu identifizierten Bakterienarten und klinischer Relevanz wurde bisher nur selten veröffentlicht», sagt PD Daniel Goldenberger.

Der grösste Teil der neu identifizierten Arten gehört zu den Gattungen Corynebacterium und Schaalia, beides sind grampositive Stäbchen. 

«Viele Arten aus diesen beiden Gattungen finden sich im natürlichen menschlichen Mikrobiom der Haut und der Schleimhäute. Sie werden deswegen häufig unterschätzt und sind wenig erforscht», so der Mikrobiologe Goldenberger. 

Doch wenn sie − etwa aufgrund eines Tumors − in die Blutbahn des Menschen eindringen, können sie auch Infektionen auslösen.

Klinisch von Bedeutung könnte auch einer der schwer zu identifizierenden Keime sein. 

Er stammt aus dem entzündeten Daumen eines Patienten, der von einem Hund gebissen wurde. Eine kanadische Forschungsgruppe hat dieses Bakterium kürzlich ebenfalls aus den Wunden von Hunde- und Katzenbissen isoliert. 

«Wir nehmen deshalb an, dass es sich dabei um einen neu aufkommenden Krankheitserreger handelt, den wir im Auge behalten müssen», sagt Daniel Goldenberger. 

Das Bakterium erhielt im Jahr 2022 von den kanadischen Forschenden den passenden Namen Vandammella animalimorsus (Tierbiss-Vandammella).

Die Benennung der neu entdeckten Arten ist nun auch für das Basler Team der nächste Schritt. Hierfür arbeiten sie mit Prof. Peter Vandamme von der Universität Gent zusammen, einem Spezialisten für die Klassifizierung von Bakterien. Zwei der Bakterien sind bereits getauft: Eines davon trägt den Namen Pseudoclavibacter triregionum – er bezieht sich auf die Lage von Basel an der Grenze der drei Regionen Schweiz, Frankreich und Deutschland.

Für das Team um den PD Daniel Goldenberger ist das Projekt damit aber noch längst nicht abgeschlossen. Die Forschenden sammeln und sequenzieren weiterhin systematisch unbekannte Keime aus Patientenproben des Universitätsspitals Basel – mittlerweile sind schon wieder über zwanzig neue unbekannte Keime dazugekommen!

«Wir bemerken hier eine grosse Dynamik, es wird aufgrund der technologischen Fortschritte in der Bakteriologie allgemein viel mehr über neu entdeckte Bakterienarten berichtet.», so Forscher Goldenberger. 

Durch diese Entwicklung wird es in Zukunft immer einfacher werden, Infektionen mit seltenen Erregern richtig zu diagnostizieren und von Anfang an effektiv zu behandeln.

Wenn man den Wettlauf mit den Unbekannten denn gewinnen will.

Quelle:

Veronika Muigg et al.

Novel Organism Verification and Analysis (NOVA) study: identification of 35 clinical isolates representing potentially novel bacterial taxa using a pipeline based on whole genome sequencing, BMC Microbiology (2024), doi: 10.1186/s12866-023-03163-7

Foto:

© DESIGN CELLS / GETTY IMAGES / ISTOCK (AUSSCHNITT)

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