Habe ich Glück?

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Das ist die kürzest mögliche Form des persönlichen Kalkulierens und nicht nur ein allgemein verständlicher Neujahrswunsch.  

Es ist die menschlich verständliche milliardenfache Frage? Egal, wo man als Mensch lebt oder nur sein Dasein fristen kann & muss.

Hoffentlich erwischt es mich nicht! Ist eher ungeschminkt. Sehr gut zu verstehen. Nah am Alltag.

  • Worum geht es?
  • Welche Katastrophe steht heute wieder an? 
  • Wie kann man diese krass ungute Lage durchstehen?
  • Was kann ich als «kleines Licht» da tun, ohne mich verrückt zu machen?
  1. Lesen. 2. TV-Bericht Ansehen. Nachschlagen & Querlesen. 4. Spazieren gehen.

Wer als normal sozialisierter Mensch mit einem normalen Mass an menschlichem Mitgefühl, am späten Abend des zurückliegenden 18. Dezember 2023 in privaten TV-Sender PRO 7, die sehr berührende Reportage zu den epidemieartigen weltweiten Antibiotikaresistenzen und zu den Menschen und ihren täglichen Produktions- und Lebensbedingungen in der «Apotheke der Welt», in Hyderabad/Indien, gesehen hat, wird hinterher bestenfalls unruhiger als sonst geschlafen haben. 

Und er wird als geborener Fleischfresser den knusprigen Geflügelbraten an den Weihnachtstagen still und mit eher gemischten Gefühlen betrachtet haben oder ganz auf ihn verzichtet haben, wenn er den Produzenten und das Lebens-Mittel vor ihm auf seinem Teller nicht schon länger persönlich kannte und im Lebens- und Wachstumszyklus etwas besuchen und kontrollieren konnte.

«Problem aus den Augen. Problem aus dem Sinn.»

So sonnenklar ticken wir allermeisten Menschen im Alltag, was niemand ernsthaft bestreiten kann.

Bezüglich der weltweit grassierenden Nicht-Wirkung von Antibiotika aber mit einiger Sicherheit wohl nicht mehr lange:

  • Wenn unsere bisher heilsamen Antibiotika nämlich falsch und massenhaft eingesetzt werden, indem sie zum Beispiel gegen virale Infektionen wie Erkältungen oder Grippe oder Corona verschrieben werden, wird dieses zu einer weiteren Zunahme der sehr gefährlichen bereits existenten Antibiotikaresistenzen führen. 

Die Rede ist hier von deren Zunahme. Nicht von deren erstmaliger Entstehung.

«Der Zug ist schon abgefahren.» Und der Zug fährt derzeit in die falsche Richtung!

Das bedeutet konkret, dass die Antibiotika nicht selten nicht mehr so wirksam oder gar nicht mehr wirksam (überhaupt nicht mehr wirksam) sind gegen die gefürchteten bakteriellen Infektionen. Eine uns alle weltweit betreffende Katastrophe! Mit Durchsage wie auf einem Bahnsteig.

Wie man in dieser PRO7-Reportage sehr eindrücklich sah und hinterher berührt war, durch die datenbasierte und sehr nüchtern vermittelte Faktenlage dazu. Mit wenigen, dafür aber sehr präzisen Bildern von krassem menschlichem Elend. Die einem unter die Haut gingen und dieses so auch sollten. Aus der inzwischen sehr grossen «Apotheke der Welt»: Hyderabad in Indien.

Es ist für jeden von uns inzwischen überlebenswichtig, Antibiotika nur gemäss den Anweisungen eines Arztes einzunehmen und dabei strikt zu beachten:

  • das korrekte Einnahmeschema und 
  • die vollständige Behandlungsdauer,
  • und Antibiotika auch dann weiter einzunehmen, wenn die Symptome des Leidens schon verschwunden sind!

Was die meisten Menschen nach meiner Wahrnehmung eben nicht machen, wenn sie sich nach kurzer Zeit wieder gesund & munter fühlen.

Diese 3 elementaren und wissenschaftlich abgestützten Dinge muss jeder Mensch erfüllen, um die weitere Entwicklung dieser grassierenden Antibiotikaresistenzen zu behindern und sicherzustellen, dass die betreffende individuelle Infektion vollständig abgeheilt ist.

Die Ärzte und die Gesundheitsdienstleister denen wir alle vertrauen, haben sich unlängst aber auch schwer geirrt:

Ärztinnen & Ärzte z.B. hier in der perfekt aufgeklärten Schweiz verschrieben im ersten Jahr der Corona-Pandemie etwa doppelt so häufig antibakterielle Medikamente wie zuvor, berichten nun Forschende der hiesigen Universität hier in Basel.

Es war ja bekanntlich eine Zeit grosser Unsicherheit, als vor knapp 4 Jahren – im Frühjahr 2020 – die erste Coronawelle über die Schweiz rollte, gab es weder diagnostische Tests noch eine Impfung und auch keine wirksamen Medikamente. Menschen, Medien, Politik schoben Panik. Allen war aber klar, dass es sich hier um einen Virus handeln würde.

In dieser Phase der Verunsicherung griffen Ärztinnen & Ärzte in der Grundversorgung – irrational anmutend – vermehrt auf Antibiotika zurück, um Patientinnen & Patienten zu behandeln, obwohl diese Medikamente gegen diese Viren bekanntlich nichts ausrichten.

Zu diesem Schluss kam nun das Forschungsteam um Prof. Dr. Heiner Bucher vom Departement Klinische Forschung der Universität und des Universitätsspitals Basel.

Wie sein Team im Fachjournal «Clinical Microbiology and Infection» berichtet, verdoppelte sich der Einsatz von Antibiotika von rund 8 auf 16 Antibiotikaverschreibungen pro 100 Konsultationen. 

Während der ersten Sars-CoV-2-Welle zu Jahresbeginn 2020 zeigte sich ein massiver Anstieg der Antibiotikaverschreibungen. Diese hielten sich ab Frühjahr 2020 für das ganze Jahr auf überdurchschnittlich hohem Niveau im Vergleich zu den 3 Vorjahren 2017 bis 2019.

Die Forscherinnen & Forscher begannen ihre Studie bereits im Jahr 2017 vor der Pandemie im Rahmen des Nationalfondsprogrammes NRP 72 «Antimikrobielle Resistenz»

Ihre Grundlage waren vollständig anonymisierte individuelle Patientendaten von über zwei Millionen Krankenversicherten aller Altersgruppen sowie Abrechnungsdaten von Ärztinnen & Ärzten. Wie sich die Coronapandemie auf die Verschreibungspraxis auswirkte, untersuchten die Forschenden mit Fokus auf 2945 Allgemeinmedizinerinnen und Kinderärzte, die in den Vorjahren bereits eine mittlere bis hohe Rate an Antibiotikaverschreibungen aufwiesen.

Das Ergebnis: Die massiv erhöhte Verschreibungspraxis zeigte sich für alle Antibiotikaklassen, auch solche, welche primär nicht zur Behandlung von Atemwegsinfekten vorgesehen sind!

Als diese Studie sehr genau lesender Patient wackeln einem da die Ohren. Weiss man doch, dass spätestens im 2. Semester Humanmedizin den Studierenden vermittelt wird, dass Antibiotika gegen Viren überhaupt nichts nützen. Im Grunde ist das schon Schulwissen aus der 3. Sek. im Fach Biologie.

«Das ist besonders besorgniserregend, da übermässiger und falscher Antibiotikagebrauch das Risiko erhöht, dass Bakterien gegen den verwendeten Wirkstoff resistent werden.», sagt Forscher Prof. Heiner Bucher. 

Multiresistente Bakterien führen zu Infektionen, die sich kaum mehr behandeln lassen!

Laut Analyse der Forschenden war diese erhöhte Verschreibungspraxis nicht auf eine «Blindverschreibung», etwa durch blosse Telefonkonsultationen, zurückzuführen. Nein. Der Grossteil dieser Verschreibungen erfolgte face-to-face in der Praxis. 

Die arme Patientin/der Patient sass in der Praxis, hörte – von der Kasse gut bezahlt – seiner Ärztin/seinem Arzt geduldig zu, blickte dabei auf einen blütenweissen Kittel und das freundliche Gesicht hinter der nicht seltenen Randlos-Brille und gab sich dann schnell geschlagen.

Sorry, für den Sarkasmus.

Ebenso zeigte sich, dass Ärztinnen & Ärzte mehr Bluttests für einen Entzündungsnachweis in ihren Praxen durchführten. Am ehesten sei der massive Anstieg an Verschreibungen wohl mit der Sorge zu erklären, dass es bei einer Covid-19-Infektion zusätzlich zu bakteriellen Komplikationen kommen könnte. Wie auch immer begründbar das sei, vor allem wichtig für die Kassenabrechnung.

Auch der Mangel an Diagnosen und konkreten Behandlungsmöglichkeiten gegen Covid-19 spielte wohl eine Rolle, vermuteten die Forschenden. 

Also: Ärztliches Stochern im Nebel?

Die Ärztinnen & Ärzte in der Studie waren im ersten Pandemiejahr 2020/2021 vor allem mit den besonders verletzlichen kränkelnden Patientengruppen konfrontiert: während sich insgesamt die Zahl der Konsultationen im ersten Pandemiejahr gegenüber den Vorjahren halbierte, nahm die Anzahl der Konsultationen bei Patientinnen & Patienten mit teils schweren Vorerkrankungen auf das Doppelte zu. Menschlich verständlich.

Was ist nun die Erkenntnis für unsere Zukunft?

«In der Vorbereitung auf künftige Pandemien müssen wir den zu erwartenden massiven Antibiotikagebrauch mit geeigneten Massnahmen wie gezielten Informationsstrategien einschränken, um unnötige Verschreibungen und das Risiko von Resistenzen zu reduzieren.», betont Professor emeritus Heiner Bucher. «Sein Wort in Gottes Ohr»!

Er darf reden. Als emeritierter Weiser.

Sein Forschungsteam will nun untersuchen, ob sich die Verschreibungspraxis in den Folgejahren der Pandemie erneut verändert hat. Ausserdem möchte es in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Zentrum für Antibiotikaresistenzen herausfinden, wie sich die Resistenzbildung infolge des erhöhten Antibiotikagebrauchs entwickelt.

Wer also diese aufrüttelnde Reportage auf Pro 7 oder in der Pro7-Mediathek sah oder diese sich dank der Mediathek noch ein zweites Mal «zu Gemüte führte», weiss hinterher, dass diese beiden zukünftigen Forschungsziele wohl das Allermindeste sind, was unsere Forscher derzeit tun müssen, sollen, können.

Ansonsten sind wir als PatientInnen wie auch schon auf uns allein gestellt. Und auf das Internet: also alles oder nichts zu haben an den dort recherchierbaren Leiden.

Hoffen wir, dass uns in diesem Leben niemals ein multiresistenter Klinikkeim erwischt! Im schlimmsten Falle nach einer relativ gut therapierten Krebserkrankung.

Sonst war das mit dem Leben! Fertig. Aus. 

«Schicht im Schacht.»

So knallhart und so nüchtern ist die aktuelle Realität.

Im weltweiten Klinikalltag auf den Intensivstationen. Und danach beim Bestatter.

«Ene, mene, muh und raus bist du.»

Was können wir also tun?

Wir müssen auch einmal unserem «Weisskittel» höflich widersprechen dürfen.

Mit evidenzbasierten und unstrittigen Fakten, ohne zu werten.

Er braucht uns doch.

Quelle: 

Soheila Aghlmandi, Florian S. Halbeisen, Pascal Godet, Andri Signorell, Simon Sigrist, Ramon Saccilotto, Andreas F. Widmer, Andreas Zeller, Julia Bielicki, Heiner C. Bucher

Impact of the COVID-19 pandemic on antibiotic

prescribing in high-prescribing primary care physicians in Switzerland

Clinical Microbiology and Infection (2023), doi: 10.1016/j.cmi.2023.11.010

Foto: 

Grafik ohne Autor aus: 

https://www.3drei3.de/artikel/antibiotikaresistenz-die-rolle-der-tierproduktion_1642/

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