Die Zahl der polizeilichen Interventionen wegen häuslicher Gewalt ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent angestiegen. Vor allem im zweiten Halbjahr mussten Polizistinnen und Polizisten zu mehr Einsätzen wegen entsprechenden Vorfällen ausrücken. Neben der für Viele belastenden Corona-Situation dürfte auch die erfolgreiche gesellschaftliche Sensibilisierung für das Thema zum Anstieg beigetragen haben. Mit der Einführung des neuen Polizeigesetzes wurde zudem das Instrumentarium für die Bekämpfung der häuslichen Gewalt ergänzt.
«Ein Zuhause soll Geborgenheit und Schutz bieten», erklärte Regierungsrat Philippe Müller am Freitag vor den Medien. Umso schlimmer sei es, wenn sich Personen in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher fühlen können. Die Zahl der polizeilichen Interventionen wegen häuslicher Gewalt ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent auf über 1’300 angestiegen. Vor allem im zweiten Semester musste eine klare Steigerung registriert werden.
Neben den Auswirkungen der Corona-Situation dürften auch die stetige Sensibilisierung der Bevölkerung zum Anstieg beigetragen haben. Zudem wurde mit der Einführung des neuen Polizeigesetzes das Instrumentarium zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt ausgebaut. Seit Anfang 2020 kann die Täterschaft zum Schutz der Opfer neu 20 statt wie bisher 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung weggewiesen werden. Dies, damit die von Gewalt Betroffenen mehr Zeit erhalten, sich zu erholen, Hilfe zu suchen und sich allenfalls neu zu organisieren. Dies passierte im vergangenen Jahr in durchschnittlich jedem fünften Fall. Mehrheitlich wurden dabei auch Kontakt- und Annäherungsverbote ausgesprochen. Noch ausstehend ist die Zahl der im Bereich häusliche Gewalt registrierten Straftaten, diese werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik ersichtlich sein.
Hohes Mass an Sozialkompetenz von Einsatzkräften gefordert
Die Behörden des Kantons Bern legen seit Jahren besonderes Gewicht auf die Verhinderung von häuslicher Gewalt. Dabei können die unterschiedlichen Stellen – namentlich auch die Berner Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt (BIG) und die Kantonspolizei – auf die enge und gute Zusammenarbeit innerhalb der Sicherheitsdirektion wie auch mit anderen Institutionen zählen.
So fordert häusliche Gewalt auch infolge der hohen Wiederholungsgefahr ein anderes polizeiliches Vorgehen als bei anderen Straftaten. «Zudem greifen wir als Staat in ein komplexes, innerfamiliäres System ein», erklärte Kommandant Stefan Blätter. Diese grosse Verantwortung müsse von den Einsatzkräften mit viel Sozialkompetenz und Fingerspitzengefühl wahrgenommen werden. Die Bearbeitung solcher Fälle ist auch zeitlich herausfordernd und es werden umfangreiche Ressourcen in die Sensibilisierung sowie in die Aus- und Weiterbildung, aber auch in die präventive Arbeit investiert.
So zeigen Studien, dass zwischen zehn und 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen häusliche Gewalt erleben. Die Präventionsmitarbeitenden der Kantonspolizei Bern sind deshalb auch in Schulen präsent, wo sie für die verschiedenen Formen von Gewalt sensibilisieren und den Schülerinnen und Schülern Hilfestellungen und Kontaktmöglichkeiten aufzeigen. Module, die dank der vom Grossen Rat beabsichtigten Erhöhung des Personalbestands der Kantonspolizei künftig noch stärker ausgebaut werden können.