Nur Bares ist Wahres

Auszeit mit

So stellen sich die Mädels und Jungs der Generation Z den Supergau vor: sie stehen mit einem «Buttergipfeli» an der Coop-Kasse, und das Terminal verweigert die elektronische Zahlung von einem Franken fünfundzwanzig! Was nun? Auch dem «Gschpänli» dahinter ist beim Begleichenwollen des Berliners kein Erfolg beschieden. Hätte ja sein können. Mit etwas Bargeld wäre die leidige Sache erledigt. Aber Bargeld? Was ist das?

Wir helfen gerne nach. Bargeld ist Geld in physischer Form als Banknoten und Münzen, «das im Zahlungsverkehr als gesetzliches Zahlungsmittel für die Bezahlung von Gütern oder Dienstleistungen oder für sonstige Transaktionen (beispielsweise Schenkungen) dient». So definiert es Wikipedia. Davon haben die Sprösslinge der oben erwähnte Generation Z allenfalls von ihren Grosseltern mal am Rande etwas gehört. In ihrem Leben aber findet Solches nicht mehr statt.

Die Generation Z (kurz Gen Z), teilweise auch «Post-Millennials» genannt, ist die Nachfolgegeneration der Generation Y (Millennials). Der Gen Z werden überwiegend diejenigen zugerechnet, die 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind. Auf sie wird übrigens die Generation Alpha folgen… der dereinst diejenigen angehören werden, die von etwa 2011 bis 2025 zur Welt gekommen sind oder noch kommen werden. Das sei jedoch nur am Rande erwähnt.

Warum das hier überhaupt zur Sprache gebracht wird?

Nach der Sozialisierungstheorie von Klaus Hurrelmann findet in der Jugendphase des Lebens eine intensive Auseinandersetzung mit Körper, Psyche, sozialer Umwelt und physischer Umgebung statt. Die Angehörigen der Generation Z finden demnach deutlich andere wirtschaftliche, politische und kulturelle Bedingungen vor als die Generationen vor ihnen. Ein ganz besonderer Einfluss (für die Gen Z), so ist aus Studien zu erfahren, war vor allem die Konfrontation mit digitalen Medien, die – je nach Alter – bereits in früher Kindheit stattfand, während Gen Y Technologien wie World Wide Web, MP3-Player, SMS, Mobiltelefone, Smartphones und Tablet-PC’s erst in ihrer frühen oder späten Jugend kennenlernte. Logische Folgerung: die Gen-Z-ler sind vorherigen Generationen auf diesem Gebiet meist intuitiv überlegen. Ins Zeitalter des Online-Handels hineingeboren, sind sie ohnehin zeitlebens kaum einmal mit dem schnöden Mammon in Papier- oder Münzen-Form in Kontakt gekommen. Ihre Welt ist die der Plastik-Karten und der Online-Bestellungen.

Da kommt es schon mal zur Überforderung, wenn die Coop-Kassen-Terminals einen arbeitsfreien Tag einlegen. Aber plötzlich macht der Spruch von Opa doch noch Sinn: «nur Bares ist Wahres». Wer hätte das gedacht?

Die Panne an den Bezahl-Stationen des Schweizer Grossverteilers ist ein Denkanstoss in die Richtung jener, die immer wieder vom bargeldlosen Alltag träumen. Man stelle sich einmal das Desaster vor, hätten die zig-tausend Coop-Kunden am vergangenen Montag ihre Einkäufe nicht mindestens mit etwas Bargeld begleichen können. Da hätte wohl mancher den Kopfsalat – wie jener Unflat im Zürcher Oberland – nach dem Kassenpersonal geschmissen. Und noch viel mehr von ihnen wären schnurstracks zum «orangen Riesen» übergelaufen.

Was uns die Panne anderseits deutlich vor Augen führte: die Schweizer zahlen immer öfters bargeldlos. Und da sind kurioserweise auch all jene beteiligt, die nicht aufhören, den Überwachungsstaat und den Schutz von Persönlichkeitsrechten in die Diskussion zu werfen. Sie bedienen sich zwar tagtäglich ihrer Kreditkarten, ihrer Cumulus- und Super-Cards und ihrer Kundenkarten von Manor oder Möbel Pfister, aber überwacht werden… das kommt gar nicht in die Tüte. Sie wundern sich allenfalls, woher beispielsweise das Möbelhaus weiss, wann das etwas in die Jahre gekommene weisse Sofa eine Rundumreinigung nötig hat. Gleichzeitig füllen sie den Antrag für eine Member-Card des Jazz-Klubs aus…

Kurzum – eine Karte da, eine Karte dort. Sie erleichtern uns das Leben massiv. Bis das Terminal streikt, wäre anzufügen. Der Breakdown bei Coop dokumentiert aber auch, wie abhängig der Handel von digitalen Zahlungsmitteln ist. Dabei ist diese Abhängigkeit in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. «Der Trend wird klar zu weniger Bargeld hingehen. Leute kaufen vermehrt online ein. Auch das mobile Bezahlen nimmt zu», sagt Tobias Trütsch. Er forscht an der Universität St. Gallen zum Zahlungsverkehr. Gemäss den Erhebungen von Trütsch haben mobiles Bezahlen, Debit- und Kreditkarten zuletzt an Bedeutung gewonnen. Der Einsatz von Bargeld anderseits nehme seit rund 30 Jahren kontinuierlich ab. Gerade die Corona-Pandemie habe den bargeldlosen Zahlungsmitteln einen erheblichen Schub verliehen.

Aber – für die meisten Schweizerinnen und Schweizer, auch das wird wissenschaftlich gestützt, ist Bargeld aus ihrem Leben nicht wegzudenken. Rund 85 Prozent der Bevölkerung kann sich eine Welt ohne Noten und Münzen nicht vorstellen. Es werde immer Leute geben, die weiterhin mit Bargeld bezahlen möchten, meint Ökonom Trütsch.

Zugegeben, ich gehöre auch zu ihnen. Grosszügigerweise offerierte ich darum den Gen-Z-lern vor mir an der Kasse das «Buttergipfeli» und den Berliner mit einem Griff in den Geldbeutel.

Einen sanften Seitenhieb konnte ich mir allerdings nicht verkneifen… «nur Bares ist Wahres», gab ich den beiden mit auf den Weg.

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