Orange ist auch gelb

„Nespresso. What else?“

Es gibt sie immer wieder – diese Werbe-Knaller, die einfach einfahren und keiner weiteren Worte bedürfen. Sie sind so etwas wie die Text gewordene hohe Schule der Kreativität. Oft kann sogar spielend auf das „Label“ verzichtet werden, weil der Slogan allein es impliziert.

„Just do it“ – und wir sehen sofort den „Swoosh“ von Nike vor unserem geistigen Auge. Auch Toyotas „Nichts ist unmöglich…“ haben wir verinnerlicht. Und von Coop wissen wir, der lockt uns mit Dingen „für Dich und mich“… Gute Werbung hat etwas Geniales. Sie ist nichts weniger als der Geniestreich eines oder mehrerer kreativer Köpfe. Immer wieder werden deshalb diese Köpfe von Gremien unterschiedlichster Provenienz ausgezeichnet. Für ihre Kunden sind gute Werber – die, notabene, bisweilen nicht ganz billig sein können – handfestes Kapital und deshalb jeden investierten Franken wert.

Festgemacht an einem Beispiel, hört sich das so an:

Um die Jahrtausendwende (im Jahr 2000) lancierte der Zürcher Verkehrsverbund ZVV eine Kampagne zur Profilierung der vernetzten Mobilität (sozusagen eine blau-weisse Variante zum Basler U-Abo des Tarifverbundes Nordwestschweiz TNW). Diese Kampagne für die damals schon zehn Jahre bestehende Tatsache, dass die Passagiere im ZVV-Gebiet für alle öffentlichen Verkehrsmittel nur einen einzigen Fahrausweis brauchen, war – offensichtlich – so unverwechselbar gut, dass sie im Jahr nach ihrer Einführung dem ZVV acht Millionen mehr Billett-Franken einbrachte.

Die Kampagne der Zürcher Werbeagentur Publicis zog mit Headern wie „Ich bin auch ein Schiff“ (auf dem Tram z.B.) oder „Ich bin auch eine Bahn“ (auf dem Schiff) die ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich. Aufgelöst wurde die auf den ersten Blick kryptische Botschaft immer gleich – mit der Zeile „Ein Ticket für alles“, zusammen mit dem neu geschaffenen Markenlogo ZVV und dem Slogan „Richtig verkehrt“.

Man erinnert sich noch heute – mehr als zwanzig Jahre nach der Lancierung der Kampagne – immer wieder an die einfachen aber wirkungsvollen Hinweise „ich bin auch ein…Schiff, Zug, Bus, Tram…usw.“.

Sollte die Meisterleistung der Publicis-Texter allerdings vergessen gegangen sein, die Schweizerische Post hilft in den letzten paar Jahren, Monate und Wochen eifrig mit, das Gedenken an die legendäre ZVV-Kampagne lebendig zu erhalten. Zwar wird das nicht explizit verkündet, aber wir Konsumenten stellen mehr und mehr fest, dass – in Anlehnung an die damaligen Botschaften der ZVV – die Buchhandlung um die Ecke auch eine Post ist, ebenso der Migrolino vis à vis der Bushaltestelle, oder die Apotheke im Quartier. Und die geschätzte Post selber? Sie ist auch ein Krämerladen (geworden), ein IT-Shop, ein Finanzprodukt-Händler…

Die Schweizerische Post als inzwischen in die Selbständigkeit geschickter ehemaliger Staatsbetrieb muss den Markt-Mechanismen gehorchen und löst aus Gründen mangelnder Rentabilität seine „Niederlassungen“ auf. Uns bleibt nichts anderes, als staunend vor der elektronischen Schiebetür zu stehen, die uns einst den Zugang zum Post-Schalter erlaubt hat. Zwar öffnet sich die Türe nach wie vor, wir finden uns jedoch unvermittelt in einer „Migrolino“-Filiale wieder. Und der nette Herr am „Schalter“, der

gerade noch der Frau neben uns ein Zwirbelbrot verkauft, vertieft sich zuerst lange 15 Minuten in ein Manual des „gelben Riesen“, ehe er uns den gewünschten Bogen A-Post-Briefmarken aushändigt.

Ob er, trotz eigentlich unpassender orangefarbener „Migrolino“-Uniform, noch nicht verinnerlicht hat, dass er auch ein „Pöstler“ ist? Man müsste die neuen Post-MitarbeiterInnen von „Migrolino“ bei der Einführung in ihren komplexen Job vielleicht darauf hinweisen, dass orange auch gelb ist.

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