Deutsche Sprache, schwere Sprache

Jeden Morgen lese ich mich mit eiserner Beharrlichkeit durch das Medien-Dickicht und bleibe nach der Lektüre nicht selten erstaunt, um nicht zu sagen sprachlos, zurück. Dass die deutsche Sprache nicht zwingend das Steckenpferd jedes Deutsch Sprechenden sein muss, okay… jedoch, zumindest jene, deren Instrument von Berufs wegen die Sprache ist (oder sein sollte!), müssten sie im Kern beherrschen, aber auch bewusst pfleglich und behutsam mit ihr umgehen. Gemeint sind die Medienschaffenden generell – Presse- und Online-Journalisten ebenso wie Mitarbeitende an der Front von Radio und Fernsehen (Ansager, Reporter, Kommentatoren etc.).

Gestern hat – in der Beurteilung des SRF-Kommentators – beim norwegischen Ski-Ass Henrik Kristoffersen im Nachtslalom von Flachau das „Timing nicht gestummen“, und heute lese ich doch tatsächlich das: „Skifahrer tretet aus Frust gegen eine Mülltonne“. Bitte, was? Ich glaub mich tretet ein Pferd… Tschuldigung. In Tat und Wahrheit tritt es mich natürlich. Es schmerzt trotzdem – die Konjugation des ignoranten Kollegen der selbst ernannten „grössten“ (kostenpflichtigen) Tageszeitung der Schweiz genauso wie der Pferdetritt.   

Es schmerzt vor allem deshalb, weil die mangelnde Fertigkeit gewisser schreibender oder sprechender Individuen keineswegs nur sprachlich unkorrekte Eintagsfliegen produziert. Der Frevel an unserem Idiom scheint bisweilen System zu haben – was meint, dass des Journalismus` Stolz längst nicht mehr das Beherrschen der Sprache ist, sondern viel mehr und öfter der Anspruch, möglichst schnell, sensationslüstern und originell zu sein.

Und parallel zur Verwilderung des Deutschen nehmen wir wahr, wie sich immer wieder von neuem bestätigt, dass die deutsche Sprache nicht nur eine schwere ist, sondern bisweilen auch eine unberechenbare, vielleicht oft sogar eine komische. Es gäbe also tausend Gründe, um der Sprache intensiv und gründlich auf den Grund zu gehen, wenn sie unser Arbeitsinstrument schlechthin ist.

Ihre Komplexität zum Beispiel lässt sich an zahlreichen Beispielen festmachen: Wir wollen beispielweise wissen, „Wieso?“ „Weshalb?“ „Warum?“ „Wofür?“ „Wozu?“ Der Engländer fragt kurz und knapp „Why?“ Wobei die Regel „Deutsch kompliziert – Englisch einfach“ so generell und unumstösslich eben auch nicht gilt. Denn – unser einsilbig-zweisilbiges „Bitte“ zum Beispiel kann beim Gentleman im Supermarkt des Londoner Stadtteils Chelsea sowohl „Please“, als auch „Here you go“, „You´re welcome“, oder – fragend – „Pardon?“ heissen. Und dennoch bleibt die deutsche Sprache für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Eins davon: die Satzzeichen. „Du hast den schönsten Hintern weit und breit“, oder „Du hast den schönsten Hintern, weit und breit“! So schnell kann aus einem Kompliment ein Trennungsgrund werden. Ein mickriges Komma macht den entscheidenden Unterschied.

Ähnliches bewirkt die Klein- und Grossschreibung, die im Zuge der Rechtschreibe-Reform vor noch nicht allzu langer Zeit zum eigentlichen „pièce de résistance“ gewachsen ist. Es macht einen nicht unwesentlichen Unterschied, ob ich meiner Nichte nach der Geburt ihres Sohnes glückstrunken schreibe „Der Junge sieht Dir ungeheuer ähnlich“, oder ob ich sie mit der Zeile „Der Junge sieht Dir Ungeheuer ähnlich“ im Wochenbett brüskiere. Zu Stolpersteinen können in unserer Sprache auch Wortbedeutungen werden. Deshalb, zum Beispiel, Augen auf im Strassenverkehr! „Einen Stau umfahren“ ist mit weit weniger polizeilichem Administrativaufwand verbunden wie „jemanden umfahren“. Da hilft zum Schluss auch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft – in Vertretung unsäglich langer Worte, die sich in unseren Sprach-Alltag eingeschlichen haben – nicht weiter.

Deutsche Sprache, schöne Sprache: Wir können – wie eben demonstriert – endlos lange Wörter konstruieren, haben Wörter, die es

in vielen Sprachen gar nicht gibt (z.B. Fingerspitzengefühl) – und eine Kleinigkeit in Sachen Zeichensetzung oder Klein- und Grossschreibung kann einer Aussage einen völlig anderen Inhalt geben.

Fragt sich am Ende, wie verlässlich die Informationen von jenen sind, die ihre Informationen nicht einmal sprachlich korrekt vermitteln können. Ihnen sei ein kostenloser und unverbindlicher Konjugations-Tipp gegeben: Ich trete, du trittst, er tritt… und so weiter.

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