Umfrage zu Lockdown-Auswirkungen: „Wir Psychotherapeuten können die Nachfrage zurzeit nicht bewältigen“

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(Zürich)(PPS) Ob jung oder alt – während der COVID19-Pandemie müssen wir alle mit ungewohnten Belastungen umgehen. Nun zeigt sich: je länger der Lockdown anhält, desto ernster werden die psychischen Auswirkungen. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen sowie innerhalb der Familie ist der Leidensdruck gross. Während zu Beginn des Lockdowns Besorgnis oder Niedergeschlagenheit auf das Gemüt schlugen, nehmen derzeit ernstzunehmende Beschwerden wie Ängste, Burnout oder Depressionen zu. Laut einer Umfrage von Sanasearch.ch mit 63 Schweizer Psychotherapeuten hat die Nachfrage nach Psychotherapien insbesondere seit der zweiten Welle stark zugenommen. Was dazu führt, dass viele Praxen derzeit an ihre Kapazitätsgrenzen stossen.

Nachfrage nach Psychotherapie „wird explodieren“

Wie die Umfragewerte zeigen, konstatieren 80% der Psychotherapeuten eine verstärkte Nachfrage nach Therapien von mindestens 20% seit dem letzten Jahr. Etwa jeder Vierte spürt sogar eine Zunahme von über 60%. Die zunehmende Nachfrage sei für einige Therapeuten jetzt schon nicht mehr zu bewältigen, wie Befragte kritisch anmerken. „Spätestens nach COVID-19 wird der Bedarf an Therapien explodieren“, lautet die ernste Prognose eines Psychotherapeuten, der mit dieser Auffassung nicht alleinsteht. Auch auf der Therapeutenplattform Sanasearch.ch steigen die Anfragen nach Therapien bei psychischen Beschwerden in die Höhe. Im Vergleich zum September letzten Jahres haben sich die Suchaufträge nach psychotherapeutischen Therapien im Januar 2021 verdoppelt. Die Online-Buchungen im Bereich Psychotherapie haben im gleichen Zeitraum um 20% zugenommen. Immer gefragter sind zudem auch ganzheitliche Behandlungsmethoden gegen den psychischen Leidensdruck. „Ohne fachspezifische Unterstützung sind die emotionalen und seelischen Belastungen unzumutbar“, findet ein Befragter.

Bleiben Kinder und Jugendliche auf der Strecke?

Kinder und Jugendliche stehen in der Coronakrise eher selten im Fokus. So blieben zwar die Primarschulen während der zweiten Welle in der Schweiz offen, doch die Pandemie verlangt den Jüngsten einiges ab. Fehlende Freizeitbeschäftigungen, weniger Kontakt mit Freunden oder Konflikte innerhalb der Familie zählen zu den wenigen Beispielen, die ganz besonders junge Menschen zunehmend belasten. Dass für Kinder und Jugendliche psychotherapeutische Anlaufstellen offen stehen müssen, zeigen auch die Umfragewerte: 71% der befragten Psychotherapeuten sehen Kinder und Jugendliche als besonders gefährdete Zielgruppe während des Lockdowns. Vor allem haben ihre Unsicherheiten und Ängste zugenommen, so die Einschätzung. Aber auch die ältere Generation leidet unter den Schutzmassnahmen, wie bei der Umfrage ausdrücklich betont wird. 

Das Konfliktpotenzial in der Familie ist gross

Fast 70% der Befragten sind sich ausserdem einig: die Corona-Pandemie belastet auch Paare und Familien stark. Denn das Konfliktpotenzial ist innerhalb der Familie seit dem Lockdown besonders hoch. Die Gründe dafür könnten unterschiedlicher nicht sein. Vor allem spielen Mehrfachbelastungen eine grosse Rolle. Ob berufliche Sorgen, weniger Rückzugsraum oder zu wenig Bewegung – die Aggressivität, depressiven Verstimmungen, Abgrenzung oder Überbelastung machen vielen Haushalten zu schaffen. Die ständige Nähe verstärkt Konflikte und überfordert viele Paare, so die Meinung vieler Befragter. Doch auch Singles sind psychisch belastet: „Meine Klienten fühlen sich vermehrt einsam und stark verunsichert. Die Einschränkungen verhindern, dass man sich spontan trifft und kurz austauschen kann, was für Alleinstehende besonders wichtig ist“, sagt eine Befragte. Sie weist ausserdem auf mögliche Langzeitfolgen hin, dessen Ausmass derzeit noch nicht abzuschätzen ist.

Zusammenfassung:

  • Laut einer Psychotherapeuten-Umfrage von Sanasearch gibt es derzeit eine starke Nachfrage nach Psychotherapien
  • Seit der zweiten Welle und zusätzlich seit dem Jahreswechsel nimmt die Nachfrage noch immer zu
  • 80% der Psychotherapeuten spüren eine verstärkte Nachfrage von min. 20% seit der ersten Welle im Frühjahr 2020
  • Ein Viertel spürt sogar eine Zunahme der Nachfrage von über 60%
  • Neben Alleinstehenden und älteren Menschen, leiden Kinder und Jugendliche aufgrund ihres Alters besonders an den Folgen der aktuellen Situation
  • Grosses Konfliktpotenzial vor allem bei Paaren und in Familien
  • Vor allem Angststörungen und Depressionen haben seit dem letzten Jahr zugenommen
  • Sanasearch.ch registrierte im Januar 2021 doppelt so viele Suchaufträge von Hilfesuchenden im Bereich Psychotherapie, als noch im September des Vorjahres

Gerne senden wir weitere Unterlagen zur Studie auf Anfrage.

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