Покойся с Миром Михаил – Ruhe in Frieden, Michail

Auszeit mit

Die erste Meldung heute Morgen in den Frühnachrichten hat aufhorchen lassen. Weil sie uns mehr oder weniger auf dem falschen Fuss erwischt hat. Auch wenn sie aufgrund der letzten Gesundheits-Depeschen aus Moskau so unerwartet nun auch wieder nicht zum Headliner wurde.

Michail Sergejewitsch Gorbatschow ist tot. Gestorben im Alter von 91 Jahren… nach einer langen, schweren Krankheit – wie es in solchen Momenten jeweils heisst.

Ganz böse Zungen mögen jetzt behaupten, die derzeitige staats- und weltpolitische Gemengelage hätte den Lebensmut des hochdekorierten Friedensnobelpreisträgers von 1990 gebrochen. Was – zugegeben – doch etwas gar weit hergeholt ist. Als Sohn eines russischen Vaters und einer ukrainischen Mutter dürfte ihn das nicht eben sinnhafte Gemetzel zwischen Moskau und Kiew dennoch nicht total kalt gelassen haben. Wobei der Drang zur Unabhängigkeit der zahlreichen ehemaligen Sowjet-Republiken und deren Flucht aus den Klauen Moskaus letztlich weitgehend Gorbatschows Politik von «Glasnost» (Offenheit) und «Perestrojka» (Umgestaltung) geschuldet sind.

Gorbatschow, über den sich die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher nach einem Grossbritannien-Besuch1984 mit den Worten «ich mag Herrn Gorbatschow. Mit ihm können wir arbeiten» geäussert hat, galt schon als Reformer, als er am 11. März 1985 (dem Tag nach dem Tod des damaligen Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Konstantin Tschernenko) mit 54 Jahren zum zweitjüngsten Generalsekretär in der Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt wurde. Vom Wahlkörper des Zentralkomitees dem «Hardliner» Grigori Romanow aus Leningrad vorgezogen. Dass er sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit straffen Restriktionen für den Verkauf von Wodka, der Schliessung von Brauereien und Destillerien sowie dem Vernichten von Weinstöcken – mit der grössten Anti-Alkohol-Kampagne also, die es jemals in der UdSSR gab, ziemlich unbeliebt gemacht hatte, war sehr schnell vergessen. Weit bedeutender – auch in der westlichen Wahrnehmung – schlug zum Beispiel im Dezember 1986 die Rehabilitierung des Regimekritikers Andrei Sacharow zu Buche, der damit aus der Verbannung nach Moskau zurückkehren durfte. Sowie 1987 auch jene von Nikolai Bucharin und weiterer Oppositioneller aus der Zeit der «Stalinschen Säuberungen».

Im Westen holte sich «Gorbi» immer wieder den ungeteilten Applaus ab. Etwa am 7. Dezember 1988, als er in einer Rede vor der 43. UN-Generalsversammlung in New York einseitige Abrüstungsschritte in Aussicht stellte. Oder ziemlich exakt ein Jahr später, als er vor Malta auf dem sowjetischen Kreuzfahrtschiff «Maxim Gorki» bei einem Gipfelgespräch mit dem US-Präsidenten George H. W. Bush verkündete: «Der Kalte Krieg ist zu Ende.»

Ob auch Anatolij Onoprijenko Zeuge dieser Bemerkung geworden ist, wird nicht überliefert. Onoprijenko? Der Ukrainer war – by the way – damals Angestellter auf dem Kreuzfahrtschiff. Bevor er danach innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren (1989 bis 1996) 52 Menschen in der gesamten Ukraine umbrachte und zum «Terminator von Tschernobyl» wurde. Nach der grössten Fahndungsaktion in der Geschichte der Ukraine (2000 Polizisten durchkämmten ein Gebiet von 100 Quadratkilometern) wurde Onoprijenko schliesslich ohne Widerstand am 16. April 1996 in der Wohnung seiner Verlobten verhaftet. Er erlag 2013 in der Haft 54-jährig einem Herzinfarkt.

Der Exkurs zu einem Besatzungsmitglied der «Maxim Gorki» sei mir verziehen. Darum sofort zurück zu Michail Gorbatschow. In der Sowjetunion hatte der Erneuerer bald gegen massive Widerstände zu kämpfen. Ausgerechnet in jenem Moment, als man diesseits des Eisernen Vorhanges die Furcht vor der Fratze des Kommunismus zu verlieren begann und man glaubte, die Demokratisierung sei jenseits von ihm auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Auflösungserscheinungen in der einst ruhmreichen «UdSSR» waren jedoch längst nicht mehr aufzuhalten. Der Widerstand insbesondere aus der von Boris Jelzin geführten «Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik» (RSFSR), der ältesten, grössten und bevölkerungsreichsten Unionsrepublik der (damaligen) Sowjetunion und deren Verbot der KPdSU sorgte schliesslich am 25. Dezember 1991 zum Rücktritt Michail Gorbatschows als Präsident der Sowjetunion und Generalsekretär der KPdSU, der er damals noch immer war.  

«Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.»

Das ist wohl eines der Zitate, das uns von Michail Gorbatschow in Erinnerung bleiben wird. Er soll es am 6. Oktober 1989 anlässlich der Feierlichkeiten zum 40. Geburtstag der DDR so oder ähnlich von sich gegeben haben. «Gorbi» selber präzisiert in seinen Memoiren, er habe Erich Honecker, dem damaligen Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokratischen Republik in einem Vieraugengespräch gesagt: «Das Leben verlangt mutige Entscheidungen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.»

Schon ziemlich verbittert – so hört man aus seinem Umfeld – soll Gorbatschow zuletzt zur Kenntnis genommen haben, wie seit einigen Jahren sein Vermächtnis rücksichtslos an die Wand gefahren wird. Auch die immer öfter geäusserte Kritik, er habe – zum Beispiel mit seiner Unterschrift zu den Abrüstungsverträgen 1991 – Land und Volk verraten, hatte ihre Spuren hinterlassen. Gorbatschow selbst hinterlässt seine Spuren unter anderem mit dem Gewinn eines Grammys 2003: zusammen mit der italienischen Schauspielerin Sophia Loren und dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton ist seine Stimme in Sergej Prokofievs Musikmärchen «Peter und der Wolf» zu hören. Das Happy End in der Geschichte: Peter bringt den eingefangenen (gefährlichen) Wolf in den Zoo. Michail Gorbatschow ist das politische Happy End in seiner Laufbahn nicht gelungen. Zu viele stellten sich seinen Reformbemühungen in den Weg. Dennoch werden nicht nur Glasnost und Perestrojka Leuchtfeuer in der von Gorbatschow geprägten Geschichte der Sowjetunion bleiben.

Vielen Dank Michail.

Большое спасибо Михаил

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