Das Ventil ist offen

Auszeit mit

Basler Fasnacht zum Zweiten.

«Nid nur Metzger hänn Bluet an de Händ…» steht auf der Schürze des Tambourmajors der «Rhygwäggi». Seine Kochmütze und die Zugsblaggedde zieren grosse Schleifen in den Farben der Ukraine. Hinter und vor ihm trommeln und pfeifen blutverschmierte Schafe, die finden «Määh sött!», die aber dennoch – ohne etwas zu unternehmen – ins Verderben laufen.

«Määh sött!» war als Sujet des Rhygwäggi-Stamms eigentlich für 2020 vorgesehen. Jetzt bekommt es vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten Europas traurige Aktualität.

Die blau-gelbe Sympathiewelle macht – man ist beinahe schon versucht, zu sagen, natürlich – auch vor der Basler Fasnacht nicht halt. Dürfen wir denn überhaupt Fasnacht machen, wenn in der Ukraine Krieg herrscht?

Wir erinnern uns, dass beim Kriegs-Ausbruch vor nun gut zehn Tagen auch das Fasnachts-Comité diese Frage aufgeworfen hat. Nicht ohne auch gleich die Antwort darauf zu liefern: «In schwierigen Zeiten ist die Fasnacht besonders wichtig und nötig», war vom Blumenrain zu vernehmen. Und weiter: für viele sei es gerade in solchen Zeiten wichtig, dass sie – die Fasnacht – mit ihrem Spott den Mächtigen den Spiegel vorhalten und Ungerechtigkeiten benennen könne. Die Fasnacht habe einen Ventilcharakter, alles, was uns unter den Nägeln brenne, werde angesprochen…

In der Tat, die aktuelle Ausgabe der «drey scheenschte Däg» lässt den Ventilcharakter bisweilen ganz deutlich erkennen. Hinsichtlich diesen unsäglichen Krieges ohnehin, aber auch im Rückblick auf das pandemische Diktat der vergangenen zwei Jahre. Gott sei Dank ist das Ventil wieder offen! Man glaubt den Dampf gleichsam in die sonnengeschwängerte Luft aufsteigen zu sehen, den all die Kostümierten seit gestern Morgen um Vier trommelnd und pfeifend ablassen. Und das ist absolut recht so.

Trotz (verdienter) Feierlaune den einen oder anderen Giftpfeil zu verschiessen, auch das ist Basler Fasnacht. Wobei zu unserem immateriellen Unesco-Weltkulturerbe eben auch gehört, dass das nie brachial sondern mehr oder weniger mit feiner Klinge bewerkstelligt wird.

Auch wenn die Basler Fasnacht neben dem ohrenbetäubenden Gugge-Geschränz, dem unüberhörba-ren Echo von Trommel-Streichen und schrillen Piccolo-Tönen in den Innenstadt-Gässli die leisen Töne bevorzugt, unkritisch ist sie nie. Indessen, sie lässt sich niemals instrumentalisieren oder von «Aktionen» irgendwelcher machthungriger Despoten überschatten.

Auch heuer nicht!

Mit der ihr eigenen Diskretion zeigt sie Solidarität, wo diese geboten ist. Sie klagt an, wenn dies gefordert ist. Und sie nennt «Ross und Reiter», wenn es darum geht, klare Kante zu zeigen. Bei der Wagen-Clique «die Unmoralische» sieht das dann so aus: eine Rakete Namens «Satan 2» zielt direkt auf das blanke Hinterteil des russischen Präsidenten. Auf dem Geschoss steht das Wortspiel «PUT IN»…

Ganz so deutlich manifestieren sich Kritik und Besorgnis eher selten. Deshalb entsteht auch nicht der Eindruck, die Fasnacht 2022 werde vom eben losgetretenen Ukraine-Konflikt beherrscht. Ganz im Gegenteil – wenn etwas in diesen Tagen offensichtlich wird, dann vor allem die Lust aller Basler und Basel-Affinen (kostümiert oder nicht), den Duft von Räppli, Fasnachts-Musik und unbeschwerter Heiterkeit ungestört zu inhalieren. Ihn runterzuziehen bis in die Zehenspitzen. Der dem Virus geschuldete, über Gebühr ausgedehnte Marschhalt in der Fasnachts-Abstinenz will niemand so schnell wieder erleben.

Und die zahlreichen Besucher am Trottoir-Rand, die zur Fasnacht gehören wie Mehlsuppe und «Ziibelewäie», sehnen in diesen Tagen der fasnächtlichen «Wiedergeburt» mit Bestimmtheit einen bunten, in all der üblichen Kreativität leuchtenden «Cortège» herbei. À plus tard… in diesem Fall.

Immerhin: ein Anfang ist gemacht…

Peter Zwicky

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein