
Der Volkszorn gegenüber so ziemlich allem, was nach Russland riecht, braucht in diesen Tagen nicht speziell befeuert zu werden. Es reicht ganz ohne Zweifel schon, dass mein Hausbäcker den besten «Russenzopf» der nördlichen Hemisphäre aus dem Sortiment nimmt – oder nehmen muss, ist ja auch egal. Einzig das «Russiche Roulette», so scheint es, vermag sich bei der nicht ganz grundlosen «Entrussifizierung» in unserem Sprachschatz zu halten. Viel anders ist ja ohnehin nicht zu nennen, was da im Europäischen Osten gerade passiert.
Stimmung gegen den gnadenlosen Aggressor und seine Gehilfen und Sympathisanten zu machen, ist in diesen Tagen also nicht nur durch das Geschehen zwischen Lemberg und Mariupol legitimiert – sondern absolut im Trend. Das ist – leider – ein Fakt.
Ein anderer Fakt, ist:
Dass eine einfache Gleichung im televisionären Schaffen das Folgende besagt: Was im Trend ist, ist Mainstream, und was Mainstream ist, bringt Quote.
So macht es – oberflächlich betrachtet – durchaus Sinn, wenn man sich bemüht, einen Trend zu bedienen und in allgemeines Wehklagen einzustimmen, um die Zuschauer-Gemeinde zu mobilisieren. Ist jedoch das Bemühen derart offensichtlich mit – der Terminus impliziert es – «Mühe» verbunden, wie in der SRF-Dokumentation vom 23. März über die russischen Oligarchen in der Schweiz, dann tun einem all jene nur noch leid, die sich an dieser fehlerstrotzenden Schnellschuss-Produktion jetzt ihre Finger verbrannt haben. Ja, St. Moritz (im Beitrag ein Schwerpunkt des SRF-Gedöns´) «erdreistete» sich in der Tat, gegen die Dokumentation Beschwerde einzureichen.
Bei aller Aktualität des Themas und bei aller Berechtigung, sich zum Verhältnis der Schweiz mit Russlands Oligarchen und Schwerreichen Fragen zu stellen: das Abgleiten in zu viele allzu plumpe Klischees, ist nun wirklich kein Qualitäts-Prädikat. Wobei die Qualität – by the way – bei SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) zuletzt immer wieder Anlass zum Fremdschämen gegeben hat.
Schwenk nach St. Moritz. Dort nämlich verortet Frau Kathrin Winzenried, Co-Autorin von besagter SRF-Dokumentation, die Wurzeln oligarchisch-russischer Party-Fröhlichkeit. Dazu heftet sie sich an die Fersen des 50-jährigen russischen Industriellen Andrei Melnitschenko. Der hat sich mit Beteiligungen am Düngemittelhersteller Eurochem und am Kohle- und Stromkonzern SUEK gemäss neuester Forbes-Informationen läppische 13,3 Milliarden US-Dollar angespart, und gehört zu den wohlhabenderen St. Moritzer Einwohnern. Wie überraschend und enttäuschend zugleich für die umtriebigen Schweizer Fernseh-Leute, Herr Melnitschenko öffnet die Tore seiner Villa trotz mehrfachem Klingeln nicht! Noch kruder: Aus einer Nachbarvilla dringt die Information zu den SRF-Mikrophonen durch, dass «die drüben» manchmal «Partys veranstalten»… o tempora, o mores! Wie aufschlussreich ist das denn!
Die äusserst verlässliche Quelle ist übrigens eine Hausangestellte von nebenan…
Für das Schweizer Fernsehen verlässlich genug, muss man annehmen, um darauf ein Feuerwerk von Klischees in den Himmel über dem «Russenpflaster» auf 1800 Metern Höhe abzuschiessen. Die Bilder sind – zugegeben – eindrücklich. Champagner und Kaviar, Partys und Pelzmäntel. Dem geneigten Fern-Seher schnürt es vor Neid und Missgunst die Kehle zu. Dass für die etwas unbedarfte Stimmungsmache vorwiegend Archivbilder in den Beitrag geschnitten worden sind, wird – natürlich – mit keiner Silber erwähnt. Warum auch? Ein russischer Silvester bei der – wohlverstanden aus dem ukrainischen Charkow stammenden – Hotel-Erbin Ljuba Manz («Gotthard», Zürich – inzwischen Manz Privacy Hotels Switzerland) oder Reto Mathis, der Trüffel raspelnde Koch der «Chesa Chantarella – kurz CheCha» auf Salastrains sind doch mehr als treffende (Sinn-)Bilder für die russische Dekadenz. Auch wenn sie fälschlicherweise insinuieren, die «grossen Fressen» würden aktuell abgehalten. Was selbstredend ein absoluter Affront gegenüber der überfallenen Ukraine wäre und die Sanktionen der Schweiz gegenüber den russischen Oligarchen ad absurdum führen und ins Lächerliche ziehen würde. Dass schliesslich das Interview mit St.Moritzens Tourismus-CEO, Ariane Ehrat, und ihre zweifellos positiven Äusserungen zur russsischen Kundschaft bereits einige Jahre alt sind und Frau Ehrat, eine ehemalige Skirennfahrerin, seit sage und schreibe fünf (5!) Jahren nicht mehr im Amt ist, schlägt dem Fass den Boden aus.
Was, so fragt man sich, hat unseren Staatssender dazu veranlasst, mit an Oberflächlichkeit nicht zu überbietender Fahrlässigkeit auf diese Art Fernsehen ohne Gehalt zu produzieren? Ich ahne da was… der Chef-Dirigent von SRF-DOK ist voller Frust und Ärger. Er scheint Kunde bei meinem Hausbäcker zu sein, und vor Tagen erfolglos um einen «Russenzopf» gebettelt zu haben…













