Menschen mit Behinderungen noch immer zurückgelassen

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(Thalwil)(PPS) Die Schweiz verabschiedet alle vier Jahre ihre Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA). Am 20. Juni 2023 schickte der Bundesrat die IZA-Strategie für die Jahre 2025 bis 2028 in die öffentliche Vernehmlassung. Im Entwurf der Strategie werden Menschen mit Behinderungen erneut aussen vor gelassen.

Kern der neuen IZA-Strategie ist, Armut zu lindern und die nachhaltige Entwicklung in der Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu fördern. Dies deckt sich auch mit den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Im Sinne des Leitprinzips «Niemanden zurücklassen» der Agenda 2030 ist es ebenfalls erfreulich, rücken Frauen mehr ins Zentrum der Strategie.

Menschen mit Behinderungen endlich sichtbar machen

Das Leitprinzip der Agenda 2030 wird in der neuen IZA-Strategie aber nicht zu Ende gedacht: Menschen mit Behinderungen werden im 70-seitigen Entwurf nur an einer Stelle genannt, als Beispiel für die «Schwächsten». Die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK), von der Schweiz 2014 ratifiziert, wird gar nicht erwähnt, trotz ihrer zwei Artikel zur internationalen Zusammenarbeit. Das ist schlicht unverständlich, zieht man in Betracht, dass Menschen mit Behinderungen weltweit überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO leben 80 Prozent der 1,3 Milliarden Menschen mit Behinderungen in Ländern des Globalen Südens – auch weil sich Armut und Behinderung gegenseitig verstärken. Menschen mit Behinderungen sind damit eine nicht vernachlässigbar grosse Gruppe und müssen zwingend explizit genannt und berücksichtigt werden. Der IZA-Strategie fehlt es zudem an einem multidimensionalen Verständnis. Sie verpasst es, Mehrfachdiskriminierungen – etwa durch das Geschlecht und eine Behinderung – und die damit einhergehenden Lebensrealitäten zu thematisieren. Denn die Situation von Frauen mit Behinderungen ist vielerorts gravierend. Sie sind besonders gefährdet, diskriminiert, ausgebeutet oder Opfer von Gewalt zu werden.

Das Swiss Disability and Development Consortium (SDDC) – bestehend aus der CBM Schweiz, FAIRMED, Handicap International Schweiz (HI) und der International Disability Alliance (IDA) – fordert deshalb, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz endlich systematisch als Querschnittsthema verankert wird. Nur so kann die Schweiz einen nachhaltigen Beitrag zur Verringerung der weltweiten Armut leisten. Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen hat nicht zuletzt auch wirtschaftliche Vorteile. Werden Menschen mit Behinderungen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, so führt dies gemäss mehrerer Studien zu höheren gesamtwirtschaftlichen Kosten, als wenn die Barrieren beseitigt werden und Menschen mit Behinderungen dadurch am Arbeitsmarkt teilhaben können.

Nicht zulasten des Globalen Südens

Elementar für eine ganzheitliche und wirksame Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sind selbstredend genügend finanzielle Mittel. Die Schweiz hat sich international bereits mehrmals verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens dafür einzusetzen. Erreicht hat sie es aber noch nie. Für den Zeitraum von 2025 bis 2028 will der Bundesrat 11,45 Milliarden für seine Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Verfügung stellen. Davon wurden bereits 1,5 Milliarden für die Ukraine reserviert. Die Not in der Ukraine ist ohne jeden Zweifel immens. Dieses wichtige Engagement darf abe

r nicht auf dem Rücken der Länder des Globalen Südens ausgetragen werden. Leidtragende davon wären aufgrund ihrer überproportionalen Armutsbetroffenheit vor allem wiederum Menschen mit Behinderungen.

Vor diesem Hintergrund fordert die SDDC vom Bundesrat, die Gelder für die schweizerische internationale Zusammenarbeit zu erhöhen. Wie die Alliance Sud, das Schweizer Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, kürzlich in ihrer Studie belegt hat, würde eine Erhöhung der Gelder der Schweizer Volkswirtschaft in keiner Weise schaden. Zudem müssen alle finanziellen Mittel UNO-BRK-konform sein. Dies bedeutet, dass keine Projekte und Programme mehr unterstützt werden sollen, welche die Segregation von Menschen mit Behinderungen fördern.

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