Lieschen Müller & blaue Wunder

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Lieschen Müller glaubte an das Glück und an viel Kohle. Ganz felsenfest!

Sie wollte den Aktienmarkt ein wenig befeuern. Ganz entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten, stellte sie diesmal höhere Ansprüche und wollte gewinnen. 

Am besten gleich ganz viel gewinnen. Einfach die App installieren, so einige Credit-Suisse-Aktien kaufen – wer jetzt nicht aufspringt, ist dumm und selber schuld, denn diese Chance kommt so schnell nicht wieder. Dachte sie.

Aber Lieschen erlebte ein blaues Wunder. Ihr ganzes schönes Geld ist plötzlich weg. Einfach in Luft aufgelöst! Lieschen bleibt dieselbe weg. Sie kann es nicht fassen!

Frau Müller wurde aufgezeigt, dass Angebot & Nachfrage auf einem Aktienmarkt sehr viel komplexer spielen, als es Frau Müller & Herr Mustermann wissen können und es je im Web in Erfahrung bringen können. Im einfachen Aktienhandel ist für die einfachen Privatleute, wie vor 30 Jahren noch möglich, heute kaum noch etwas Grosses zu gewinnen.

Lieschen Müller musste erkennen, dass gegen die ausgefeilten Algorithmen von Computern in Echtzeit nie eine realistische Chance auf grosse Gewinne besteht, denn spekulatives Verhalten von Kleinkunden ist in den aktuellen Aktienkursen vom Volumen her und von der Risiko-Aversion her gesehen zu einem gewissen Grad immer schon «eingepreist».

Grosse Gewinne kann man als Kleinaktionär und Daytrader nur noch machen, wenn man grosse Volumina bewegen kann und/oder über sicheres Insiderwissen verfügt. 

Ersteres ist unwahrscheinlich und beim zweiten hat man mit einiger Sicherheit die FINMA oder BAFIN am Hacken, und die bekommen alles heraus.

Nun muss sich Lieschen Müller nicht nur über ihr verlorenes Geld, sondern auch noch über die ins Haus flatternden Kommissionsforderungen ihrer Hausbank ärgern und weiteres Geld bezahlen. Denn die Bank gewinnt immer.

Was war passiert?

In der Gratis-Pendler-Zeitung «20 Minuten», die schweizweit überall an Bahnhöfen, in den Zügen der SBB und allen Tram`s herumliegt, wurden am 19. März 2023 wieder mal heisse Tipps gehandelt.

Siehe https://www.20min.ch/story/jetzt-cs-aktien-kaufen-wirklich-darauf-musst-du-nun-achten-902008726879

«Die Aktien der Credit Suisse sind gerade so günstig, dass ich zugeschlagen habe!» 

Das sagte eine 29-jährige Frau am Freitag zu «20 Minuten». Sie habe die Wertpapiere mit der Smartphone-App «Yuh» gekauft und habe vor, mit dem Gewinn eine Nacht im Luxushotel Plaza Athénée in Paris zu verbringen oder sich eine Handtasche zu kaufen. 

Der Artikel geht durch die Decke, über 500 Mal wird er via Whatsapp verschickt oder auf Social Media gepostet.

Via Kommentarspalte schalten sich weitere selbsternannte BörsenexpertInnen ein: «Einen Totalschaden kann man fast ausschliessen, entweder geht der Kurs in Richtung 10 bis 20 Franken oder die CS wird übernommen und es werden zwei bis drei Franken pro Aktie geboten», schreibt ein anonymer User. 

«Jetzt nicht kaufen, wäre naiv», schreibt ein anderer. 

Und ein Dritter lästert: «Ihr kommt zu spät, vorgestern wäre der Moment gewesen.»

Doch, weder am Freitag 17. März 2023 noch zwei Tage zuvor, war der Moment, wie wir seit der Medienkonferenz des Bundesrates von Sonntag wissen: die UBS übernimmt die Bank für drei Milliarden Franken, das sind 0.76 CHF pro Aktie. 

Selbst wer zum idealsten Zeitpunkt gekauft hat, verliert über jetzt die Hälfte! 

Markus Schwab, CEO der Schweizer Finanz-App «Yuh», sagt: «Interessanterweise gehört die Credit-Suisse-Aktie seit Lancierung unseres Angebots vor knapp zwei Jahren immer zu den fünf meist gehandelten Titeln.»

Einen Run auf die App oder auf CS-Papiere in den letzten Tagen habe es hingegen nicht gegeben. «Yuh»wachse stetig und habe mittlerweile über 100’000 aktive YuhserInnen, doch für kurzfristiges Trading sei die App nicht konzipiert. 

«Die meisten neuen NutzerInnen investieren auch nicht sofort, sondern machen sich zuerst vertraut mit den Möglichkeiten.»

Welche Lehren könnte man daraus ziehen?

Hektisches Hin- und Her-Handeln lohnt sich meistens nicht, auch wenn die Anbieter von Börsen-Apps wie «Yuh» das Gegenteil vorgaukeln, indem sie mit Push-Nachrichten über die gerade steigenden Aktien die App-User zum Handeln regelrecht anstacheln.

Wenn man investiert, sollte man immer Folgendes bedenken:

  • Hohe Gewinne sind mit einem hohen Risiko verbunden. Immer

Schlussfolgerung: Am besten bleibt man realistisch und bescheiden.

  • Je langfristiger der Anlagehorizont ist, umso besser ist es. 

Ein langer Zeithorizont verkleinert nämlich bei risikoreichen Anlagen – wie z.B. bei den Aktien – die Gefahr von Verlusten.

  • Den optimalen Einstiegszeitpunkt für Käufe oder Verkäufe gibt es nicht. 

Deshalb lohnt es sich nur, wenn man gestaffelt über die Jahre verteilt investiert.

  • Nicht alles auf eine Karte setzen, sondern das Risiko verteilen. 

Mit einem Fonds kann das Risiko auch bei einem eher kleinen Investment breit gestreut werden.

  • Träume erfüllen sich nicht über Nacht.

Auch nicht der vom schnellen Geld. Den gibt es nur bei einem grösseren Lottogewinn.

Aber jetzt mal wieder zurück zu den heissen Börsentipps!

Hier hat der Wind sich ja nun inzwischen gedreht. 

Die grosse Frage lautet nun: Soll man jetzt UBS-Aktien kaufen?

Die «Handelszeitung» rechnet in einem Artikel am 20. März 2023 von Redakteur Harry Büsser vor: «Wenn die UBS drei Milliarden bezahlt für eine Bank, die am Freitag noch acht Milliarden wert war, entspricht das einem Wertzuwachs von fünf Milliarden oder rund 10 Prozent pro UBS-Aktie.»  

https://www.handelszeitung.ch/geld/soll-man-jetzt-aktien-der-ubs-kaufen-und-wie-ist-es-mit-andern-bankaktien-584783

Wer jetzt nicht …

Jemand ruft laut: Yuhu!

Lieschen Müller? Herr Mustermann?

Erklärung:

Frau «Lieschen Müller»: ist eine Redewendung. Steht im Deutschen als 

f="https://de.wikipedia.org/wiki/Platzhaltername">Platzhaltername für eine durchschnittliche, keine grossen Ansprüche stellende Frau. Das männliche Pendant wäre z. B. Herr Max Mustermann.

«Blaues Wunder»: ist ebenfalls eine Redewendung. Wer sein blaues Wunder erlebt, der macht Bekanntschaft mit einer für ihn sehr unliebsamen Überraschung. Dabei kann es sich um ein schlimmes Ereignis, eine böse Überraschung oder auch eine unerwartete und unangenehme Erfahrung handeln.

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