“Inflation”wird oft mit “hohen Preisen” verwechselt, ist aber nur die “Wachstumsrate des Preisniveaus”

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Die mehr oder weniger galoppierende Geldentwertung ist so ziemlich einfach erklärt: kommt mehr Geld in den Umlauf als Güter produziert werden, steigt die Inflation.

Anders sieht es aus mit der «Inflationsrate» in Abgrenzung zur «Inflation».

Ein Beispiel: steigt ein Preis für eine Jeans in einem Jahr von 100 auf 150 Franken und bleibt dann so, liegt die Inflation im ersten Jahr bei 50 Prozent und danach nur bei 0 Prozent!

Auch wenn der Preis mit 149 Stutz nun permanent höher ist, ist die Inflation nur zeitlich begrenzt. 

Das verstehen viele Leute nicht, deshalb diese Aufklärung:

Hohe Inflation bedeutet nämlich nur, dass die Preise mehr oder weniger kontinuierlich stark ansteigen. Dabei sind die nachfolgenden 3 Faktoren entscheidend.

Faktor 1:

Erstens gibt es sogenannte Angebotsschocks, welche die Preise ansteigen lassen, weil es zu einer Verknappung von bestimmten Gütern kommt. 

Dies führt zu höheren Inflationsraten und erhöht die Lebenshaltungskosten. Beispiele dafür haben wir jüngst gesehen: Der Anstieg des Erdölpreises im letzten Jahr 2021 erhöhte die Produktions- und Transportkosten und damit die Preise für fast alle Güter – eine Entwicklung, die der Krieg in der Ukraine dann noch weiter krass verschärfte. Auch die Engpässe und die Unterbrüche in den Lieferketten haben zu solchen Preisanstiegen geführt.

Faktor 2: 

Zweitens gibt es eine konjunkturelle Komponente: In einer Boom-Zeit steigt die Nachfrage schneller als das Angebot und führt damit zu schneller wachsenden Preisen. 

Umgekehrt sieht das Bild für Rezessions-Zeiten aus. Hier nimmt die Nachfrage schneller ab, als das Angebot (nach-)gesenkt werden kann. Dieses Überangebot führt so zu stagnierenden (gleichbleibenden) oder sogar fallenden Preisen damit die Ware noch abgesetzt werden kann.

Faktor 3:

Drittens gibt es die Inflationserwartungen der Wirtschaftsteilnehmenden. Diese sind schon relevant, weil die Preise und die Löhne typischerweise nicht von Tag zu Tag neu gesetzt werden, sondern für längere Zeitperioden, wie z.B. für die Laufzeiten der Tarifverträge und GAV`s. Dabei zählen auch die Erwartungen für diese Zeitspanne. 

So überlegen Firmen beispielsweise sehr genau, wie sich ihre Produktionskosten und die Preise ihrer Konkurrenten entwickeln, wenn sie ihre Preise bestimmen und festlegen.

In die Lohnverhandlungen gehen ebenfalls Erwartungen darüber ein, wie stark sich die Kaufkraft durch die Inflation abschwächen wird. 

Die Erwartungen und Schätzungen über die künftige Inflation beeinflussen somit die heute festgesetzten Preise und Löhne, die somit die heutige Inflation bestimmen.

Was ist die Rolle der Schweizerischen Nationalbank (SNB) als Zentralbank?

Die Zentralbank soll in erster Linie Preisstabilität gewährleisten. Bei Preisanstiegen aufgrund von Angebotsschocks – wie oben beschrieben -, die durch die Covid-Pandemie oder den Angriffskrieg auf die Ukraine entstanden sind, kann die Zentralbank wenig tun, um diese Schocks direkt abzumildern. 

Hebel ansetzen kann sie nur bei der konjunkturellen Komponente und den Inflationserwartungen. Bei Ersterer, indem sie die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen drosselt (und damit die Wirtschaft insgesamt), indem sie beispielsweise – wie kürzlich nach langer Zeit erfolgt – die Zinsen anhebt. 

Der Zusammenhang ist allerdings ein relativ komplexer und indirekter. 

Mit dem Anstieg der Zinsen werden ja auch die Kredite und Hypotheken teurer und damit die Investitionen weniger attraktiv. Bei höheren Zinsen wird aber tendenziell auch mehr gespart und etwas weniger konsumiert. 

Auch wertet – und das ist das scheinbar ewige Dilemma des CHF – die inländische Währung auf, was eher dämpfend auf die Nachfrage nach Exportgütern wirkt. Dieser abschwächende Effekt in der Nachfrage sollte die Inflation sinken lassen, wenn die Zinsen genügend stark angehoben werden.

Dieser Prozess ist aber schwierig zu steuern: Nicht immer reagiert die Nachfrage gleich stark und es dauert oft lange, bis sich die Wirkung der Zinsanstiege in der Nachfrage und letztendlich in der Inflation widerspiegelt. 

Jüngste Studien zeigen auch, dass die Nachfrage relativ stark gedrückt werden müsste, um die Inflation nach unten zu bringen.

Etwas direkter lässt sich die Inflation in einer offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz mit dem Wechselkurs beeinflussen. Etwa ein Viertel der in der Schweiz konsumierten Güter und Dienstleistungen sind importiert. Somit sind die Importpreise ein substanzieller Anteil aller Preise. 

Lässt die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber den ausländischen Währungen zu, dann führt diese relativ schnell und direkt zum Rückgang der Preise für Importgüter und dämpft damit die Inflation in der Schweiz.

Der wahrscheinlich wichtigste Einfluss, den die Zentralbank auf die Inflation hat, ist der auf die Inflationserwartungen. Da es ihr Auftrag ist, die Inflation tief zu halten – bei einem von ihr definierten Zielwert, in der Schweiz liegt dieser zwischen 0 und 2 Prozent – ist es zentral, dass sie als Bank die Firmen und die Haushalte überzeugen kann, dass sie ihre Aufgabe auch wirklich erfüllt. 

Nehmen wir an, alle sind überzeugt, dass die Zentralbank die Inflation zum Zielwert zurückführt, wenn sie einmal zu hoch wird. Dann werden zwar Unternehmen die Preise für ihre Produkte zum Beispiel aufgrund der höheren Energiekosten anheben. Sie werden aber darauf verzichten, auch noch zukünftige weitere Preisanstiege vorwegzunehmen, weil sie für die Zukunft wieder mit einer tiefen Inflation rechnen. 

Wenn alle Firmen entsprechend verfahren, kommt es zwar zu temporär erhöhten Inflationsraten aufgrund der Preisanstiege für Energie, aber nicht zu permanenter Inflation. Diese würde auch bei unverändert hohen, aber nicht weiter steigenden Energiepreisen wieder zurück zum Zielwert kommen.

Als negatives Gegenbeispiel nehmen wir an, die Firmen trauen der Zentralbank nicht zu, dass sie ihre Aufgabe erfüllt, sondern erwarten, dass eine höhere Inflation dieses Jahr auch eine höhere Inflation im nächsten Jahr bedeutet. Diese Erwartung werden sie in den Preisen bereits vorwegnehmen und die höhere Inflationserwartung erfüllt sich so praktisch von selbst.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass die Zentralbank glaubwürdig und konsequent ihre Ziele verfolgt und auch klar kommuniziert, dass sie handeln wird, und das auch tut, wenn es erforderlich ist. 

Mit dieser Glaubwürdigkeit wird sozusagen ein Anker für die Inflationserwartungen beim Zielwert geschaffen. Eine erfolgreiche Geldpolitik manifestiert sich somit vor allem auch in stabilen und tiefen Inflationserwartungen der Firmen und der Privathaushalte.

Die Gefahr für permanente Inflation lauert nicht nur im augenblicklichen Anstieg von Energiepreisen und der Verknappung von Gütern aufgrund der inzwischen allseits bekannten Lieferengpässe, sondern vor allem in den instabilen Inflationserwartungen, die durch eine längere Zeit mit höherer Inflation ihre Verankerung verlieren können. 

Dann würde eine eigentlich temporär höhere Inflation aufgrund von mehreren Angebotsschocks als dauerhaft wahrgenommen und würde in Lohn- und Preisverhandlungen eingehen und somit permanent werden. 

Ob es so kommt oder nicht kommt, hängt davon ab, wie glaubwürdig die Zentralbanken das Ziel der Preisstabilität verfolgen und dass sie auch aktiv werden, wenn sie Gefahren für dieses Ziel sehen. 

Damit kann die sich selbst erfüllende Prophezeiung einer fortschreitenden Inflation verhindert werden. 

Der SNB konnte man in dieser Hinsicht bisher eigentlich immer über den Weg trauen.

Vertrauen ist eben alles.

Wie in einem früheren Beitrag über die Inflation und die Inflationsraten in Europa genannt, kann sich die Interessierte/der Interessierte z.B. auf der folgenden Webseite über die Inflation in ganz Europa genauer informieren:  https://www.european-inflation-tracker.com

Diese Seite ist übersichtlich und auch für den Laien gut zu lesen.

Hier noch zwei Beitrage zur nächsten Erwartungsbildung Inflation Schweiz: 

https://www.blick.ch/wirtschaft/snb-chef-jordan-kuendigt-an-weitere-zinserhoehung-ist-wahrscheinlich-notwendig-id17600400.html
ht
tps://www.bazonline.ch/wir-rechnen-mit-einer-inflationsrate-von-knapp-4-prozent-gegen-jahresende-824138142215

(Foto: Ibrahim Boran auf Unsplash)

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