Gute Heimreise

Auszeit mit

Ob sie’s geahnt haben?

Die üblicherweise vom Haus-Stylisten eher vernachlässigten Fussball-Weisen aus Leutschenbach präsentierten sich im Vorlauf zum WM-Achtelfinalspiel der Schweiz gegen Portugal richtiggehend festlich. Rainer Maria Salzgeber, d e r Kanarienvogel im Schwenkbereich televisionärer Aufnahme-Linsen, in zurückhaltendem Anthrazit mit schwarzem Binder. Beni Huggel, der weit herum geschätzte Experte mit wohltuender Bodenhaftung, in dezent blauer Schale – und, man höre, ebenfalls mit Krawatte. Zu glauben, die Outfits der beiden seien nicht Teil eines wohl überlegten Plans gewesen, irrt gewaltig. Exponenten des Schweizer Staats-Fernsehens zwängen sich nicht freiwillig in ihre in die Jahre gekommene Konfirmations-Kluft, wenn es nicht wirklich angesagt ist.

In den Augen der SRF-Fussball-Verantwortlichen aber war es das.

Das einigermassen gute und erfolgreiche Gruppenspiel gegen ein äusserst biederes Serbien hatte für die Katar-Delegation des Schweizerischen Fussball-Verbandes eine fatale Blendwirkung. Jenseits realistischer Wahrnehmung fabulierten Aktive wie «Adabeis» vom Durchmarsch in – mindestens – die Viertelfinals, von Weltklasse-Qualitäten und unangebrachter Furcht vor grossen Namen. Noch bevor die Aufstellung der Portugiesen auf den Presseplätzen verteilt war, freute man sich auf den möglichen Viertelfinal-Gegner Marokko, das im Nachmittags-Spiel die Spanier vom Penalty-Punkt abgeschossen hatte. Salzgeber hielt sich in der Folge damit auf, die Nordafrikaner als Aussenseiter schlechtzureden. Nur gut, dass wenigstens Huggel Weitsicht bewies, und den Schwauderi aus dem Wallis darauf hinwies, dass man nicht den zweiten vor dem ersten Schritt tun sollte.

Wie recht er doch hatte!

Der Ausgang des Kicks gegen die Lusitaner, was in der Volkskunde die Ahnen der Portugiesen waren, ist inzwischen hinlänglich bekannt, das 1:6 ein veritables Debakel, die Art und Weise seines Zustandekommens eine Bankrotterklärung des Schweizer Nationalmannschafts-Fussballs. Dass sie mit ihren massgeschneiderten Anzügen letztlich der Versenkung einer Illusion und nicht der Feier einer ersten Viertelfinal-Teilnahme seit 1954 beiwohnen würden, hätten die Herren Salzgeber und Huggel gewiss nicht erwartet. Zumindest, so ist zu vernehmen, hätten sie sich mehr als einen blutleeren Auftritt von ein paar gut bezahlten Fussball-Profis gewünscht.

Die relative Zuversicht der dem Schweizer Nationalteam Zugewandten hatte gerade darum etwas Nahrung erhalten, weil die Aktiven – und der Trainer Murat Yakin – selbst vor der Partie gegen Portugal von einer Begegnung auf Augenhöhe gesprochen hatten, und die Aussenwelt tatsächlich hatte glauben machen wollen, man gehöre jetzt auch zu den «Grossen». Positiv betrachtet nennt man das wohl Visionen.

Sie zu haben, die Visionen, kann man niemandem zum Vorwurf machen. Zu oft wird moniert, in unserem Land seien Visionen nicht mehr opportun – und möglich schon gar nicht. Wohl denen, die solche Visionen noch haben. Hut ab darum vor der heterogenen Truppe millionenschwerer Fussball-Profis mit dem Schweizer Kreuz auf der Brust. Nur hätte ihnen jemand noch erklären müssen, dass es für Visionen auch Investitionen braucht. Investitionen, die man – im Fussball – landläufig unter dem Motto «Blut, Schweiss und Tränen» zusammenfassen könnte. Wollte man es wirklich einmal weiter als in den Achtelfinal eines grossen Turniers bringen, dann müsste man jene «Eier» haben, die zu haben Kapitän Granit Xhaka mit dem Griff in den Schritt den serbischen Verantwortlichen nach dem knappen Sieg signalisierte. Pech nur, dass diese Eier im wichtigsten Spiel der Kampagne im Wortsinn zu verlorenen Eiern verkommen sind. Die Leistungsträger, die das eigentlich hätten sein sollen, blieben unterirdisch blass. Bisweilen fragte man sich nicht zu Unrecht, ob die Xhakas, Shaqiris oder Sommers überhaupt auf dem Platz gestanden haben.

Die miserable Leistung des Kollektivs allein am abenteuerlichen System des Nationaltrainers festzumachen, ist vermutlich etwas zu kurz gegriffen. Doch müssen auch die Qualitäten des oft etwas allzu unkritisch gepriesenen Übungsleiters einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Und zum Schluss sollte durchaus auch jenen Stimmen mehr Gehör geschenkt werden, die immer wieder die fehlende Chuzpe derer ins Feld führen, denen ihr fürstlich bezahltes Club-Hemd näher ist als das rote mit dem weissen Kreuz auf der Brust. Zu hinterfragen wäre auch die tatsächliche Qualität der Tschütteler im SFV-Kader.

Xhaka – Weltklasse? Shaqiri – Weltklasse? Akanji – Weltklasse? Sommer – Weltklasse? …ist das so? Es dürfen da durchaus Vorbehalte angemeldet werden. Shaqiri, zum Beispiel, als Weltklasse-Fussballer zu betiteln, ist ein absoluter Witz. Seine zahlreichen Pokale verdankt er dem Umstand, dass er auf den Kaderlisten aufgeführt war – bei Bayern München, bei Liverpool zum Beispiel. Spielerisch hat er bei diesen Top-Vereinen nicht ein my zu deren Erfolgen beigetragen. Und inzwischen ist er in die Anonymität und Bedeutungslosigkeit der Major League Soccer abgetaucht. Kunststück, vermag gerade er es nicht, seine Mitspieler für ein engagiertes Kämpfen und schweisstreibendes «Beissen» in einem «Match der Wahrheit» mitzureissen. Er tut es ja auch nicht – kämpfen und beissen. Er verwirft lediglich die Hände und macht ein hässliches Gesicht, wenn es gerade mal nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hat. Und das tut es zuletzt viel mehr als andersrum. Und Xhaka? Weltklasse ist das nicht, wenn man sich als Captain – gefrustet von einem Debakel – dem Interview verweigert. Das ist – mit Verlaub gesagt – Dünkel… und nur Dünkel. Da fehlt die Persönlichkeit, die menschliche Grösse. Dass solches Gehabe von der versammelten Schweizer Journaille – und insbesondere von den Plauderis des Fernsehens nicht im Ansatz kritisiert wird, ist ein Skandal. Offensichtlich geben sich Reporter und Kommentatoren der Illusion hin, ihr eigenes Grab zu schaufeln, wenn sie den grosskotzigen Balltretern mal gehörig auf den Schlips stehen.

Opportunismus nährt Fehlverhalten. Nie wurde das offensichtlicher als zuletzt im Schweizer Lager in Katar.

Na dann – gute Heimreise…

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