Fachkräftemangel

Auszeit mit

Was bekommen wir in letzter Zeit wieder vermehrt die beinahe zehn Jahre alte Wortschöpfung «Fachkräftemangel» um die Ohren gehauen. Das Unwort des Jahres 2015 steht unverhofft wieder in der Blüte. Fachkräftemangel…

Die Pflegeinstitutionen ächzen unter ebendiesem, die Gastronomie beklagt einen geradezu beispiellosen solchen, die Lehrkörper zwischen Airolo und Schaffhausen warnen schon seit geraumer Zeit vor ihm. Andere Branchen haben sich schon fast mit ihm arrangiert – die Ingenieurberufe zum Beispiel, oder die Berufe der Informatik, wie dem Fachkräftemangel-Index 2021 der «Adecco Group» zu entnehmen ist. Grossmehrheitlich sind das Arbeitsfelder, die einen substanziellen Beitrag zum Wohlergehen der Schweizer Wirtschaft leisten. Was man vom Schweizer Fernsehen SRF als Arbeitgeber so ganz sicher nicht sagen kann. Und doch: in Leutschenbach manifestiert sich der vielbesungene Fachkräftemangel ausgeprägter als je zuvor.

Das schlägt zwar rein gar nicht auf das helvetische Bruttosozialprodukt durch. Zum Glück! Aber es nervt und ärgert zugleich.

Aber ganz von vorne.

SRF, die aus Gebühren finanzierte schweizerische Landesfernseh-Anstalt, postuliert für sich – unter anderem – «eine führende publizistische Stellung im Bereich Sport». Das ist, mal unter dem Aspekt der finanziellen Möglichkeiten, eine durchaus realistische Zielsetzung. Nur ist eine «führende publizistische Stellung» mit dem Zusammenkauf von Sportübertragungsrechten weiss Gott noch lange nicht erreicht. Denn: derzeit ist die finanzielle Potenz der öffentlich-rechtlichen Schweizer TV-Macher tatsächlich das einzige Argument im Kampf um Einschaltquoten. Die Qualität des in und aus den Kommentatoren-Kabinen (An-)Gebotenen lässt, gelinde gesagt, mehr als zu wünschen übrig. Und so drängen Private immer mehr und öfter in den Wettbewerb – derzeit leider noch meist mit mässigem Erfolg. Immerhin, das erfolgreiche Abwerben von qualitativ wirklich guten Leuten wie Jann Billeter (zu MySports) oder Stefan Bürer (zu den Rapperswil-Jona Lakers und teilzeit zu MySports) sind kleine Nadelstiche der ehrgeizigen Konkurrenz. Sie bestätigen aber letztlich auch einen Trend, der seit einigen Jahren mehr als deutlich festzustellen ist: dem Staatsmonopol gehen zunehmend die Fachkräfte aus!

Nun verfolgen wir seit ein paar Tagen die mit viel deutschem Herzblut aufgemachten «European Championships» in München. Kontinental-Titelkämpfe in verschiedensten Sportarten publikumswirksam «produziert». Und das Fernsehen SRF ist nicht nur dabei, sondern mittendrin. Mit einer – die Kritik sei gestattet – Reporter- und Kommentatoren-Crew aus Amateuren und blutigen Anfängern. Was der interessierte Sport-Fan über den deutsch-schweizer Kanal zu hören bekommt, ist bisweilen – zumindest – sehr schwer verdaulich. Da verzücken uns Radprofis, Turnprofis, Kletterprofis oder Leichtathletikprofis mit Ausnahmeleistungen, und über das Fernsehbild schwadronieren journalistische Amateure von Mitteilungsinformationen, die sie eben noch aus dem Trainerstab von Mujinga Kambundji bekommen hätten und fechten mit der deutschen Hochsprache den Kampf der Aussichtslosen. Da hilft es auch nicht, dass das Heer der SRF-Frontleute von Experten – ob sie nun Ellen Sprunger oder Martin Laciga heissen – sekundiert wird. Die dürfen nämlich Dialekt reden. Das ist gut so. Man möchte sie nun  – zugegeben – wirklich nicht auch noch Hochdeutsch sprechen hören…

Die Sprache der Schmids, Gehrers, Winterbergs oder Jaggis (das sind Vertreter der Kommentatoren-Elite aus Leutschenbach!) ist lediglich das eine. Da kann sich ein in der Eile rausgerutschter «Versprecher» (wir sind ja gnädig) schon mal einschleichen. Viel erschreckender ist die manghelhafte fachliche Kompetenz der «Discjockeys» hinter den Mikrophonen. Reglements-Kenntnisse ist für sie oft ein Fremdwort. Wenn’s tricky wird, muss der «Experte» helfen. Sie hocken auf ihrem Presse- und Kommentatoren-Sessel, stieren in den Monitor vor ihrer Nase und verlieren den Blick fürs Ganze. Das TV-Bild muss uns nicht erklärt werden, meine Damen und Herren, aber vielleicht interessiert uns, was «neben» dem Bild geschieht. Dafür aber bräuchte es Leute, die etwas von dem verstehen, was sie uns in die gute Stube zu liefern haben.

Es ist ein Detail, ein Beispiel unter vielen aber, und es spricht für sich, wenn die SRF-Leichtathletik-Spezialisten (was die Herren Schmid, Gehrer oder Winterberg sein sollten) beim Kugelstossen beharrlich von einem «guten Wurf» des Athleten X sprechen. Das kann einmal passieren. Wenn es sich aber etabliert, dann ist es entweder mangelndes Fachwissen oder Ignoranz. Was zusätzlich irritiert: dass der Experte nebendran nicht interveniert. Darf er vielleicht gar nicht?

Wir stellen ernüchtert fest, dass die Qualität des SRF-Personals mitnichten dazu beiträgt, dem Anspruch der «führenden publizistischen Stellung im Bereich Sport» gerecht zu werden. Auch die Inflation von Kommentatoren- oder Reporter-Händchen haltenden Experten tut es nicht. Auch wenn man nicht zu oft von den «guten alten Zeiten» sprechen sollte, im Zusammenhang mit der Qualität des Schweizer «Sport»-Fernsehens scheint das legitim. Wir erinnern uns daran, dass einst die Kommentatoren und Reporter selbst die Experten waren. Jeder für sich ein ausgewiesener Fachmann. Ohne jede Assistenz. Aber mit einer gehörigen Portion Fachwissen. Willy  Kym, Gott hab ihn selig, war ein solcher. Absolut kompetent als Radsport-Reporter. Jan Hiermeyer, auch er schon länger tot, war der Eiskunstlauf-Guru schlechthin. Und – ja klar – Bernard «Beni» Thurnheer hätte es als Affront empfunden, wenn ihm ein «Experte» zur Seite gestellt worden wäre. Von der Fachkompetenz von «Beni National» könnten sich die aktuellen SRF-Leute mehr als nur eine Scheibe abschneiden.

Fazit: Es könnte durchaus auch anders gehen. Nur müsste sich bei den oben Angesprochenen die Erkenntnis durchsetzen, dass sie halt bei weitem nicht ganz so gut sind, wie sie selber meinen. Und ihre Chefs müssten sich irgendwann einmal eingestehen, dass sie bei der Auswahl ihrer – vielleicht immerhin billigen – Mitarbeiter:innen zuletzt nicht ein wirklich gutes Händchen gehabt haben.

Da darf der Fachkräftemangel nun aber gar keine Ausrede sein.

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