Vergessener 1. August

Auszeit mit

Wittern wir da etwa einen Skandal? Wenn uns zu Ohren kommt, dass – zum Beispiel – Roger Federer, Baschi (das ist der singende Sebastian Bürgin aus Gelterkinden), Marco Odermatt oder Sven Epiney unser ach so heiliges Gedenken an den Rütlischwur vergessen oder – noch schlimmer – bewusst gar nicht gefeiert haben. So jedenfalls interpretiert der umtriebige Schweizer Boulevard unter dem Titel «So feierten Schweizer Promis den 1. August» die aussergewöhnliche Ruhe auf den Social Media Accounts dieser «Stars», wo doch üblicherweise jeder noch so unbedeutende Furz von ihnen in einen bebilderten Post abgesetzt wird oder zumindest schriftliche Erwähnung findet.

Höchste Alarmstufe also. Ein paar Aushängeschilder von «Schweizer Illustrierte», «Blick», «Glückspost» und mehr – allesamt Mitglieder der erlesenen Ringier-Familie notabene – verweigern dem Nationalfeiertag ihre Aufmerksamkeit. Das geht so gar nicht.

Da haben sich im Vorfeld des 1. August, wie einfallsreich, gut bezahlte Redaktoren ganze Bildstrecken in ihren Naja-Publikationen freigeschaufelt, um Instagram- oder Facebook-Trouvaillen ihres fein säuberlich gepflegten publizistischen Stammpersonals auf der teuren Rotation zu vervielfältigen, aber nein, die Federers und Co. crashen die Party. Wenn das keine Schelte absetzt. Der eine oder andere dürfte möglicherweise seine Honorar-Pauschale kompromittiert sehen. Zur «Familie» zu gehören ist schliesslich auch mit ein paar wenigen Pflichten verbunden. Wegen der «Win-Win-Situation» oder so…

Andere haben da ihre Hausaufgaben weit vorbildlicher gemacht. Beatrice Egli zum Beispiel, unser Schlagerexport mit dem «brennenden Herz» nimmt uns in einem Filmli auf eine Reise durch die Schweiz mit und verkündet von Patriotismus triefend, «ich feiere ‘Mini Schwiiz, mini Heimat» jeden Tag.» Wir sind gerührt – so etwas von…

Christa Rigozzi, die dauerabonnierte Schweizer TV-Tante, macht das Spiel ebenso mit und grüsst mit einem 1.August-Kerzlein und einer Flasche Schampus aus den Ferien. «Bauer-sucht-Frau»-Verkuppler Marco Fritsche hat sich gar ein rotes Trikot mit Schweizer Kreuz übergezogen. Pegasus-Frontman Noah Veraguth wiederum ehrt seine Heimat mit einem Föteli beim Schweizer Glockenspiel am Leicester Square in London. Und Ski-Sternchen Wendy Holdener teilt mit uns einen Rundblick über «Bärg und Tal…».

Fünf «Beiträge». Das ist alles in allem eine sehr bescheidene Ausbeute. Was dem Informationsgehalt der Publikationen aus dem Hause Ringier auch nicht gerade weiter hilft. Wenig Umfang, wenig Inhalt. Dünn bleibt dünn – in jedem Sinn des Wortes.

Dann lassen sie mich mal spekulieren: vielleicht deuten die renitenten Rogers, Baschis, Marcos oder Svens nur einfach sanft an, dass sie sich nicht nach Belieben und dauernd vor den Karren des Boulevards spannen lassen wollen. Vielleicht reservieren sie künftig ihre Posts für die Veröffentlichung in gehaltvolleren Publikationen mit – mit Verlaub – etwas mehr Tiefgang. Vielleicht legen sie Wert auf «privacy», auch wenn sie – nicht alle im selben Masse wohlverstanden – Personen des öffentlichen Lebens sind. Vielleicht können sie es sich ganz einfach auch leisten, auf die Honorar-Pauschale zu verzichten. Oder vielleicht verfügen sie in ihrem Umfeld über Partner, die weniger sensationslüstern und aufsässig sind.

Gut möglich aber auch, dass die Vier derzeit ganz andere Probleme haben, als den Ringier-Blättern die Bildstrecken zu füllen. Federer mit den Unbilden, die ihm das Management seiner Schuhfirma «on» aufbürdet. Millionenschwere Entschädigungen für das Kader, miserable Qualität der Produkte, und Abzockerei im Schweizer Online-Handel. Dabei kann die «Jubel-Trubel-Heiterkeit» eines Nationalfeiertags schon mal zur Marginalie werden. Anders verhält es sich wohl bei Baschi. Seit er am 18. Dezember 2020 als Sieger aus der ersten Staffel von «The Masked Singer Switzerland» hervorgegangen ist, herrscht um den Schwiegersohn des ehemaligen Fussball-Idols Günther Netzer mehr oder weniger Funkstille. Gut möglich, dass sich das Murmeltier (als solches bestritt Sebastian Bürgin den Sanges-Wettbewerb unter der Maske) noch immer im Winterschlaf befindet.

Winterschlaf. Ein Fremdwort für den neuen Schweizer Stern am Alpinski-Himmel. Dass Marco Odermatt keine Zeit für irgendwelche 1.August-Posts hat, versteht sich. Die Sommermonate sind für ihn intensive Trainingsmonate. Nicht so einfach in diesen Zeiten, wo einem die Gletscher unter den Skis wegschmelzen. Die Frage, wo trainiere ich morgen, lässt alle anderen Probleme vergessen – by the way auch einmal einen Nationalfeiertag. Schliesslich muss es auch dem «Mann für alle Fälle» beim TV SRF erlaubt sein, zu vergessen. Bei all den Engagements und TV-Auftritten von Sven Epinay in der medialen Saure-Gurken-Zeit, sollte ein wenig Ruhe gelegentlich möglich sein. Da bietet sich ein 1. August mit Vorzug an.

Liebe Freunde vom Boulevard, es ist also alles halb so schlimm. Und Roger, Baschi, Marco oder Sven sind ganz bestimmt keine «Verräter».

Bald ist ja wieder Weihnachten. Vielleicht versucht ihr es dann noch einmal mit einer Bildstrecke. Vorschlag: ihr könntet sie dann «So feierten Schweizer Promis Weihnachten» nennen.

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