Unsere Schule: Durchmischen hätte positive Folgen

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Nach den Wirrungen und Irrungen infolge der schweizweiten Einführung des «Lehrplans 21» und den damit einhergehenden Glaubenskämpfen innerhalb der Lehrerschaft zeigt sich nun, dass einige Schulgemeinden wie z.B. die Schulgemeinden Uster oder Bern ihre Klassen doch wieder stärker durchmischen wollen.

Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder mit Migrationshintergrund werden dabei wieder gleichmässiger auf die Schulhäuser und -klassen verteilt, mit dem Ziel, den Lernerfolg der gesamten Klasse verbessern zu können.

Mit dem aktuellen Zustrom den hiesigen Schutz Suchender aus der Ukraine, bekommt diese Politik der besseren Durchmischung von Klassen nochmals eine neue Dimension. Sollen Kinder, welche vor dem dortigen Krieg geflüchtet sind, in speziellen Integrationsklassen unterrichtet werden? Oder doch besser von Beginn an gleich in eine Regelklasse integriert werden? Die aktuelle Handhabe unterscheidet sich dabei je nach Kanton, Gemeinde, oder der Art der Unterkunft der Geflüchteten. Die Schweiz ist da ein Flickenteppich.

Forschende der Universität St.Gallen (HSG) und Lausanne (UNIL) haben die Effekte dieser besseren Durchmischung länger untersucht. Sie empfehlen nun, auch die neu aus der Ukraine geflüchteten Kinder schnellstmöglich in die Regelklassen zu integrieren.

Bildungs- und Berufschancen hängen auch von der Zusammensetzung der Schulklasse ab.

Neben den Auswirkungen auf die Lehrpersonen und die bestehenden Klassenverbände ist es wichtig, auch die Auswirkungen auf die betroffenen Kinder selbst zu kennen. 

Einen ersten Hinweis auf die zu erwartenden Effekte gibt dabei eine Studie von Forschenden der Universitäten St.Gallen und Lausanne. Diese untersucht, inwiefern die Bildungschancen und Berufswahl von Kindern mit Migrationshintergrund von der Klassenzusammensetzung abhängen. Dabei unterscheiden die Forschenden zwischen dem Effekt von mehr Mitschülern mit Migrationshintergrund und spezifisch mehr Mitschülern derselben Migrantengruppe (z.B. portugiesisch-sprachige Mitschüler). 

Forschungsziel

Ziel ist es, herauszufinden, ob ethnische Cluster in Schulen oder Klassenzimmern dazu führen, dass sich die Bildungs- und Berufschancen dieser Schülerinnen und Schüler verschlechtern.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie sich diese ethnischen Cluster auswirken können. 

Einerseits leidet die Geschwindigkeit, mit welcher Schüler die lokale Sprache erlernen. Sprachkenntnisse sind aber entscheidend und bedeutend, sowohl in der Schule als auch auf dem Arbeitsmarkt. 

Andererseits können ethnische Gruppen positiv als Netzwerk wirken, das Schülerinnen und Schülern dann wieder bessere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. 

Schlussendlich können auch kulturelle Unterschiede bestehen, zum Beispiel im Wert, welcher einer gymnasialen Ausbildung beigemessen wird. Diese kulturell geprägten Werte können sich in den ethnischen Clustern dann noch verstärken.

In ihrer Studie vergleichen die Forschenden mehrere Jahrgänge innerhalb einer Schule, welche in der 8. Klasse mehr oder weniger Mitschüler mit Migrationshintergrund aufweisen. Dieser lokale Vergleich innerhalb einer einzigen Schule erlaubt es, andere Effekte, wie zum Beispiel die Qualität des lokalen Arbeitsmarktes, konstant zu halten. 

Anhand von schweizweiten Daten über sieben Jahre (mehr als 120’000 Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund) finden die Forschenden heraus, dass ein zusätzlicher Mitschüler mit nicht-lokaler Muttersprache pro Klasse die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels ins Gymnasium um 0.2 Prozentpunkte senkt. Dies wird jedoch aufgefangen durch eine Erhöhung des Anteils von Schülern, welche dann eine Berufsbildung starten.

Geflüchtete Kinder schnellstmöglich in Regelklassen integrieren

Betrachtet man spezifischer, was passiert, wenn der Anteil Kinder aus der gleichen Migrantengruppe erhöht wird, so ändert sich dieses Bild leicht. Einerseits werden die negativen Effekte auf den Übertritt ins Gymnasium verdoppelt, bleiben aber mit 0.4 Prozentpunkten moderat. 

Andererseits kann die Berufsbildung den Effekt nicht mehr ganz kompensieren. Im schlechtesten Fall bleiben die Kinder dann gemäss der Untersuchung häufiger ohne Ausbildung. 

Auch wenn die Studie nicht eins zu eins mit der aktuellen Situation vergleichbar ist, so gibt sie doch zumindest Hinweise darauf, dass es vorzuziehen ist, die geflüchteten ukrainischen Kinder schnellstmöglich in eine Regelklasse zu integrieren, anstatt sie in speziellen Integrationsklassen zusammenzufassen. 

Insbesondere in der längeren Frist erlaubt dieses eine gute Integration, erfolgreiche Berufsaussichten, und damit auch eine tiefere Belastung des schweizerischen Gemeinwesens.

Quelle:

https://cepr.org/publications/dp17505

Discussion Paper 17505: “Ethnic Clus

tering in Schools and Early Career Outcomes”

Caroline Chuard, Annatina Aerne, Simone Balestra, Beatrix Eugster, Roland Hodler  

27. Juli 2022

Bild: 

https://bildagentur.panthermedia.net/m/lizenzfreie-bilder

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