Ölspur auf der A36

Auszeit mit

Der Aufschrei der Empörung ist weitherum zu vernehmen. Mehr als jeder zehnte Novartis-Angestellte zittert ab sofort um seinen Job. Die Ankündigung vom Ober-Apotheker und CEO Vas Narasimhan, in Kürze bis zu 1400 der derzeit 11’600 Stellen in der Schweiz streichen zu wollen, sorgte bei der Belegschaft des Pharma-Riesen gestern wohl da und dort für einen wackeligen Gang zum Feierabend-Bier. Nicht ausgeschlossen, dass auch in der Novartis-Kantine das eine oder andere Frust-«Rugeli» mehr über die Theke gegangen ist. Vor allem der «Overhead» in Marketing, Vertrieb und Verwaltung wird demnächst Federn lassen müssen, hört man. Da dürften sich bei so manchem Mitarbeitenden dieser Bereiche nach Narasimhan’s Ankündigung die Bügelfalten gekräuselt haben.

Immerhin adressierte der Konzernchef seine per E-Mail verbreitete Hiobsbotschaft an die «lieben Kolleginnen und Kollegen» und suggerierte den Auserkorenen damit ein klein wenig Wertschätzung. Der Hammer donnert deswegen allerdings nicht geräuschloser nieder. Und drunter zu kommen, lässt die Betroffenen erst einmal ziemlich platt zurück.

Was allfällige Opfer der Verschlankungskur, die zu Einsparungen von einer Milliarde Dollar führen und auch eine klare Strategie bringen soll, trösten dürfte, ist die Grosszügigkeit, mit der Novartis ihre gekündigten Mitarbeitenden zu entschädigen pflegt. Da vermag ein stattliches Bündel grosser Scheine so manche Träne zu binden, noch ehe das heulende Elend der überzählig gewordenen den Campus in ein post-terminationistisches Hochwassergebiet verwandeln kann.

Fakt ist: die 1400 Schweizer Novartis-Opfer, die von 8000 «Gschpänli» aus den Niederlassungen von Hyderabad bis Vancouver beim Gang aufs Arbeitsamt begleitet werden, haben sich nichts zu Schulden kommen lassen, was ihren Job-Verlust erklären würde. Sie werden «zufällige» Opfer sein – weil sie zufällig in einem zufällig überflüssig gewordenen Arbeitsbereich beschäftigt sind. Zuviel der Kernkompetenz, sozusagen…

Ganz anders liegt der Fall beim sprintenden «Prinz von Zamunda», dem Basler Kurzstrecken-Läufer und Schweizer 100m- und 200m-Rekordhalter Alex Wilson. Auch seine Entlassung steht bevor. Im Gegensatz zu den Novartis-Leuten, denen das gleiche Schicksal droht, nicht ganz so unerwartet. Offenbar verliess sich der Jamaika-stämmige Bebbi nicht alleine auf seine Kernkompetenz, was eigentlich das schnelle Rennen wäre. Es war ihm nämlich nicht schnell genug. Deshalb zog er pharmazeutische Kernkompetenz zurate. «Trenbolon» heisst die Medizin. Dumm nur, sie ist ein anaboles Steroid, und von den internationalen Doping-Behörden zum Verzehr nicht zugelassen.

Wilson ist eigentlich zu bedauern. Nicht für die vierjährige Sperre, die ihm gestern von der «Disziplinarkammer des Schweizer Sports» aufgebrummt wurde. Nein, für die Naivität, zu glauben, durch das Netz der Kontrolleure schlüpfen zu können. «Harte Arbeit schlägt Talent», steht auf seiner Website. Der Schuldspruch von gestern führt Wilsons Credo definitiv ad absurdum.

Sofort löschen! Vielleicht ersetzen mit: «Talent, das war einmal…»

Jetzt zieht der 31-jährige Wilson eine Spur systematischen Dopings hinter sich her, in der auch – Zufall oder nicht – der wegen seiner Doping-Machenschaften bereits lebenslang gesperrte Coach Raymond Stewart (Jam) und der texanische Heilpraktiker Eric Lira (ein Doping-Kurier) auftauchen. Am Ende bleibt es an den Doping-Fahndern hängen, die Spur bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen… bis allenfalls die Zeit die Spur vollends verwischt hat.

Es ist fast wie im richtigen Leben. Man wünscht sich, unliebsame Spuren würden zeitnah verwischt. Jene aus rund 40 Litern Diesel, zum Beispiel, die mein Alfa Romeo Giulietta auf den gut 50 Kilometern der französischen A36 zwischen Besançon und Dôle «ausgespuckt» hat. Wenn du mit beinahe geleertem Tank aufgrund eines Treibstoffleitungs-Defekts (?) in weiser Voraussicht die Ausfahrt angesteuert, mit Mühe und Not den über das rechte Vorderrad schliddernde Fronttriebler in der Spur zu halten versucht, und die «Assistance» angerufen und informiert hast, dann fällt Dir schon mal der Kiefer eine Etage runter, wenn du Besuch von einem halben Dutzend Feuerwehrleuten in Vollmontur und von zwei alarmblinkenden Service-Wagen der Autobahn-Sicherheit bekommst. Vor allem macht die Präsenz dieser Leute die Tragweite des «Ereignisses» deutlich.

Eine Spur zu hinterlassen ist das eine. Das kann ja durchaus auch eine positive Konnotation haben. Eine solche aus Dieselöl in seinem Heck zu wissen, gibt angesichts der nicht unerheblichen Rutsch-Gefahr nicht das wirklich gute und beruhigende Gefühl. Eine Ölspur auf die A36 zu ziehen – das fährt ein. Aber – hinterlassen wir nicht alle in unserem Leben Spuren. Irgendwelche. Irgendwie… Die eine hält sich etwas länger, eine andere wiederum verflüchtigt sich im Dunst der (Ver-)Witterung.

Es ist anzunehmen, dass die Aufregung um das Dieselöl auf der A36 nicht gar so lange anhält, wie das Wehklagen um die Entlassung von fast 10’000 Novartis-Angestellten.

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