Personae non gratae

Auszeit mit

Man kommt ja in diesen Tagen nun wirklich nicht darum herum, zum Beobachter russischen oder pro-russischen Treibens fernab der Schlachtfelder in und um Kiew oder in der östlichen Ukraine zu werden. Da werden oligarchische Vermögenswerte – von der Yacht bis zum Eigenheim – eingezogen, dort werden «Diplomaten» in die Wüste geschickt. Und das alles unter unseren Augen – gefilmt, geschrieben, gestreamt, getwittert, gefacebooked…

Der russische Staat als solches wird zur res publica non grata… jene, die sich auch nur in geringster Weise mit ihm in Verbindung bringen lassen zu personae non gratae. Zum sprachlichen Verständnis: non gratus, grata, gratum (Singular) meint schlicht und einfach unerwünscht, Genus-unabhängig.

Die «social-media-Terminologie» nennt das eine Statusänderung. Und unisono wird eine solche vorgenommen. Von Deutschland über Frankreich nach Grossbritannien – alle ziehen mit. Das ist verständlich und absolut nachvollziehbar. Nur die schweizerische Eidgenossenschaft tut sich wieder einmal verdammt schwer damit, klare Kante zu zeigen. Halbherzig sind da und dort zwar ein paar russische Milliarden «eingefroren» worden. Das grenzte dann schon an Aktivismus. Manch ein Politiker sieht bereits damit die vielgepriesene Neutralität gefährdet. Heisst denn Neutralität, dass man sich alles gefallen lassen muss?

Die «offizielle Schweiz» tut sich bisweilen mehr als schwer, wenn es darum geht, dem zügellosen Tun ausländischer Eindringlinge Einhalt zu gebieten. Bestes Beispiel dafür: die russischen Oligarchen. Da lässt man Fünf schon mal gerade sein und übersieht so by the way geltende Regeln. Eigentlich ist der Kauf von Grundstücken durch Ausländer beschränkt. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass die Behörden bei der Umsetzung der sogenannten «Lex Koller» nicht selten grosszügig sind.

Übrigens – «Lex Koller» ist die informelle Bezeichnung des schweizerischen «Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland». Der Name des Gesetzes geht auf Arnold Koller zurück, der bei der letzten grösseren Überarbeitung des Gesetzes 1997 Bundesrat war.

Ein Profiteur mit Strahlkraft der Schweizer «Augen-zu-Politik» ist der russische Oligarch und Putin-Spezi Viktor Vekselberg. Er wohnt offiziell am Zugerberg. Vor zehn Jahren erwarb er dort eine Eigentumswohnung. Der Fall ist exemplarisch. Die kantonale Volkswirtschaftsdirektion verfügte damals, dass der Kauf nicht gegen die «Lex Koller» verstosse, da die Wohnung als Hauptwohnsitz diene. Ob Vekselberg effektiv dort wohnt, wird aber selbst heute noch stark bezweifelt. 2012 gab es deswegen sogar Streit in der Zuger Verwaltung. Die Geschichte landete vor dem Verwaltungsgericht, das zugunsten des Russen entschied. Bemerkenswert dabei ist, dass die Richter das Urteil anhand von Indizien fällten. Es war offensichtlich niemandem in den Sinn gekommen, auch mal an Vekselbergs Haustür zu klingeln… Stattdessen machten die Richter geltend, Vekselberg zahle in Zug Pauschalsteuern, sei dort krankenversichert, habe ein Auto eingelöst, verfüge über einen Telefonanschluss, es seien Wasser- und Stromrechnungen belegt, und der Strassenhockeyclub im benachbarten Oberwil werde auch noch gesponsert. Unbedeutendes Detail am Rande: im Club war auch der Sohn des damaligen Volkswirtschaftsdirektors Matthias Michel aktiv! Honni soit qui mal y pense.

Nun. Schweizer Politiker, Beamte und – vermehrt auch – Richter pflegen auf beiden Augen blind zu sein, wenn es unangenehm zu werden droht. Wenn Pfründe zur Disposition stehen. Oder wenn unpopuläre Entscheide einer Exekution bedürfen.

Ein Beispiel: während die «big player» um uns herum (Deutschland, Frankreich, Italien) russische Diplomaten ins Pfefferland schicken und damit ein Zeichen der – zugegeben – unüblichen Art setzen, wartet man in Bern «vorerst» mal ab. Daran ändert nicht einmal die vom «Nachrichtendienstes des Bundes» (NDB) abgefeuerte Signalrakete etwas, mit der vor wenigen Tagen darauf hingewiesen wurde, dass rund ein Drittel des hierzulande akkreditierten Personals der russischen Vertretungen als Mitarbeiter des Geheimdienstes identifiziert oder zumindest verdächtigt ist.

So schräg das klingen mag, noch ist in Europa die Schweiz der sichere Hafen für Putins Schnüffler. Der Nachrichtendienst des Bundes meint dazu: «Die Schweiz könnte schon bald genötigt sein, sich den Fernhaltemassnahmen anderer europäischer Staaten anzuschliessen, um von den russischen Nachrichtendiensten nicht als Einfallstor nach Europa missbraucht zu werden.»

Beruhigend für jede potenzielle persona non grata: es verfügen genügend betuchte Landsleute in Gstaad, Zug oder St. Moritz über Eigentum und Ländereien, wo vorübergehend als Butler, Gärtner oder Chauffeur unterzukommen wäre. Bevor die Schweizer Behörden ernst machen und eine Ausreise der «Spione» anordnen.

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