Neuer Wein in alten Schläuchen

Auszeit mit

War es jetzt «neuer Wein in alten Schläuchen» oder am Ende doch «alter Wein in neuen Schläuchen» was das bisweilen phantasielose Schweizer Fernsehen uns zu bester samstäglicher Sendezeit auftischte? Jedenfalls holte Leutschenbach dafür unseren so geliebten wie geschätzten «Beni National» aus der wohlverdienten Rente. Und was wir schon bei der vollmundigen Ankündigung der SRF-Gurus, der Nostalgie mit einem einmaligen Revival der kultigen Samstagabend-Kiste «Benissimo» eine Chance zu geben, geahnt hatten, traf die Wahrheit mit einer Breitseite. Was die «Kügeli-Show» bot, war so etwas wie das letzte Zucken eines kapitalen Hechts, der – geliefert am Haken der Unbedeutsamkeit – sein Glück in der Vergangenheit sucht, weil niemand glaubt, dass die SRG eine gute Zukunft hat.

Verschämt verzichteten die Sonntagszeitungen, die in aller Regel nach Erfolgsmeldungen lechzen, tags darauf, die Einschaltquote einer Sendung zu recherchieren, von der sich die SRG-Teppichetage so viel versprochen hatte. Dabei wäre damit durchaus eine Schlagzeile zu machen gewesen: 843’000 Zuschauer*innen wollten sich die Auferstehung von Bernard «Beni» Thurnheer zu Gemüte führen und ihn an den farbigen Kugeln hantieren sehen. Das entspricht einem Marktanteil von geradezu rekordverdächtigen 58 Prozent!

Dass sich Frau SRF-Direktorin Nathalie Wappler (die auch noch stellvertretende Generaldirektorin der SRG ist) jetzt nur nicht zu falschen Schlüssen hinreissen lässt. Das Benissimo Revival war der hübsche Versuch, im Alltag der seichten und bedeutungslosen TV-Programme mal wieder etwas Quote zu machen. Mehr nicht.

Nur Opas und Omas, die – beeindruckt von schwarz-weisser Fernseh-Pracht einstiger Tage – besseren Zeiten nachtrauern und sich der weit schwierigeren Gegenwart verweigern, können diesen Sender noch gut finden. Weil sie an den omnipräsenten und alles-moderierenden Wunsch-Schwiegersöhnen Sven Epiney oder -Töchtern Mona Vetsch den Narren gefressen haben. Vermehrt werden sich demnächst allerdings  auch Politiker*innen und Parteien mit ihrem Feindbild Nummer 1 versöhnen. Sie werden den Staatssender mehr als üblich brauchen – um dem einfachen Volk einen Wegweiser zu geben, wenn es im kommenden Jahr wieder darum geht, neue Parlamente in Bund und Kantonen zu bestellen.

Mit seinem unkritischen Angebot ohne viel Tiefgang ist das Schweizer Fernsehen allerdings nicht alleine. Für anspruchsvollere Zeitgenossen, die global den Überblick bewahren und nicht nur oberflächlich oder minimalst fundiert abgespeist werden wollen, sind die meisten Schweizer Medien untauglich. Was aus der Mehrheit eidgenössischer Redaktionsstuben auf die Kundschaft losgelassen wird und sich auch noch «Journalist*in» nennt, ist eine Schande für all jene, die mit journalistischer Arbeit akribische Recherche und den Anspruch von Seriosität verbinden. Nicht einmal die viel gerühmte NZZ schafft es, das einst vorbildliche Niveau zu halten, wenngleich sie (zum Beispiel) mit Daniel Foppa, Moritz Kaufmann oder Birgit Voigt ein paar vielversprechende «Pferde» im Stall hat. Aber stimmt die Linie?

Wie kann es sein, dass auf der Titelseite der «NZZ am Sonntag» zuletzt mit einem Primeur aufgemacht wird («Unter 50jährige erkranken immer häufiger an Krebs»), der auf der Aussage nur eines einzigen Arztes, eines Epidemiologen aus Genf noch dazu, beruht? Das ist Journalismus in sehr einfacher Form. Wo sind die anderen Quellen? Auf derselben Titelseite wird die Klimajugend gefeiert, die Unis und Gymnasien besetzen will. Auch dieser Artikel fusst auf einer einzigen Quelle. Die NZZaS heizt das Thema boulevardesk an.

In dasselbe Horn tuten die anderen Grossverleger schon längst. Aufmerksamkeit um der Aufmerksamkeit willen. Da wirft man den Anspruch an guten Journalismus schon mal über Bord. Auch bei den Tamedia-Leuten und ihrer «SonntagsZeitung». Wo zuletzt von einem Bündner Hotelier zu lesen war, aufgebrezelt vor einem riesigen dampfenden Plausch-Pool und darüber jammernd, dass die Energiepreise sich für ihn mehr als verzehnfachen würden! Bisher hat er auf billige Energie spekuliert. Jetzt geht seine Rechnung unvermittelt nicht mehr auf. Was für ein Desaster. Wir fühlen Mitleid. Die Redaktion nimmt das Wehklagen des Hoteliers zum Anlass, für die Branche in Bern nach Hilfe (Staatsknete) zu rufen.

Im «Sonntags Blick» (auch vor vier Tagen) darf Lukas Bärfuss, Hausautor in der Ringier-Familie, gegen die Regierung in Teheran anschreiben. Er wird von der Redaktion «Der wichtigste zeitgenössische Schweizer Schriftsteller» genannt. Das ist verwerflichste Irreführung! Bärfuss ist ein – wenn überhaupt – Arbeiterschriftsteller, der um sein Überleben schreibt und sich in seiner Verzweiflung dem Boulevard und den vorgefassten Meinungen der qualitätlosen Ringier-Redaktion andient. SoBli-Chefredaktor Gieri Cavelti schaut den Leser auf Seite 2 süffisant wie immer an. Seine Lippen sind zusammengepresst. Was er schreiben lässt, ist das eine; was er denkt, das andere. Hauptsache, er hat den Vorgaben von «Ober-Ringier» Marc Walder Genüge getan und keinen potenziellen Tennis-Partner des CEO’s verärgert.

Fernsehen oder Print, «neuer Wein in alten Schläuchen» oder umgekehrt, beängstigend ist der Qualitäts-Abfall in den Medien allemal. Manchmal wäre es gewinnbringender, sich über neue Gefässe und Formate den Kopf zu zerbrechen und der Qualität eine Chance zu geben, als mit fetten Schlagzeilen die Konsumenten zu ködern zu versuchen.

Ein «Revival» mag ja für einen kurzfristigen Boost sorgen. Langfristig jedoch wird nur «neuer Wein in NEUEN Schläuchen» den Erfolg (zurück-)bringen.

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