Ein Rückruf zur Unzeit

Auszeit mit

Wir kennen das – ausgerechnet dann, wenn es am schönsten ist, crasht einer die Party. Der Party-Killer, wie er gemeinhin genannt wird. Vielfach ist es der pflichtbewusste Wirt oder der allzu pingelige Schulhausabwart, der zur Sperrstunde partout kein Gehör für eine Zugabe hat. Und in Ermangelung kommunikativer Optionen stinkfrech den Stecker zieht oder die Sicherung rausdreht.

Feierabend. Fertig. Aus.

Sie mögen es nicht glauben. Aber genau dieses Szenario ist mir durch den Kopf gegangen, als ich von der Rückruf-Aktion von Ferrero gehört habe. Allenthalben rüsten sich Osterhäsinnen und -hasen für ihre sehnsüchtig erwarteten annualen Auftritte, da schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe: grosse Mengen Kinder-Schokolade müssen aus den Regalen von Europas Supermärkten entfernt, oder von den Kunden zurückgerufen werden, um dann achtlos auf einer Deponie oder in einer Verbrennungsanlage entsorgt zu werden. Auch dabei: das Überraschungs-Ei. Und das heisst erwiesenermassen nicht etwa so, weil man sich momentan bei seinem Verzehr überraschenderweise Salmonellen im Verdauungstrakt einhandeln kann.

Schlimm genug, dass der schokoladisierte Super-Gau ausgerechnet dem Osterhasen einen Strich durch die Rechnung macht. Als schier unerträglich wird jedoch die Tatsache empfunden, dass Betroffene mit Magen-Darm-Problemen möglicherweise ganz auf die Suche nach eben diesen Überraschungs-Eiern verzichten und Oma oder Opa in den Garten abkommandieren müssen.

In der Schweiz wird Entwarnung gegeben, hört man. Es sind (noch) keine Erkrankungsfälle bekannt. Dennoch ruft Ferrero 27 Produkte vorsichtshalber zurück. Coop, Migros, Volg und Aldi haben die betroffene Kinder-Schokolade inzwischen aus den Regalen genommen. Experten sprechen von «einigen Tonnen»!

Festgestellt wurden die Salmonellen in den Produkten aus einem Ferrero-Werk im belgischen Arlon. Die belgische Aufsichtsbehörde kündigte an, dem Werk die Produktionslizenz zu entziehen. Offenbar wusste Ferrero seit Monaten von einem Salmonellen-Fall in der Fabrik. Inzwischen ist bei nachgewiesenen Kinder-Schokolade-Erkrankungen in Belgien, Grossbritannien und Frankreich die «Salmonella Typhimurium» geortet worden. Sie ist eine der hauptverursachenden Bakterien menschlicher Gastroenteritis, umgangssprachlich Magen-Darm-Grippe genannt. Diese geht in der Regel mit Erbrechen und Durchfall einher…

Ob die zur Unzeit ruchbar gewordene Salmonellen-Geschichte auch Giovanni Ferrero auf den Magen geschlagen hat? Überliefert ist das nicht. Er ist der Vorstandsvorsitzende des in Alba (Italien) beheimateten Unternehmens Ferrero Società per Azioni (S.p.A.) und leitet den bis heute hundertprozentigen Familienbetrieb in dritter Generation. Mit 38´767 MitarbeiterInnen weltweit (immerhin ein Drittel aller Novartis-Angestellten!) erwirtschaftete der Süsswarenhersteller im vergangenen Jahr satte 12,7 Milliarden Euro Umsatz. Ferrero ist die Dachmarke für eine Produktepalette von Einzelmarken und Markenfamilien. Von den 32 Einzelmarken befindet sich die Hälfte unter dem Markenfamilien-Dach von Kinder! Kinder Schokolade, Kinder Überraschung, Kinder Pingui, Kinder Happy Hippo, Kinder X, Kinder Y… Das Unternehmen war 1946 von dem 1898 geborenen Konditor Pietro Ferrero senior gegründet worden, der sich alsbald als Erfinder von Nutella einen Namen machte. Nutella, die legendäre Nuss-Nougat-Crème, die seit der Firmen-Gründung in Italien – zunächst unter dem Namen Pasta gianduja, später als Pasta giandujot – verkauft wird.

Jetzt klebt den Kinder-Machern die Salmonellen-Geschichte wie unachtsam verschmiertes Nutella an den Fingern. Fluch der bösen Tat. Wer den Schaden hat, muss – wie man weiss – für den Spott nicht sorgen. Die Kinder Überraschung – nomen est omen – bekommt unvermittelt eine ganz andere Bedeutung. Männiglich sorgt sich um das Image des Süsswaren-Riesen. Ganz nach der Weisheit: «Ist der Ruf mal ruiniert…»

So dramatisch aber sei das gar nicht, klärt uns das Büro für Konsumentenfragen auf. Es weist denn explizit darauf hin, dass die Unternehmen Rückrufaktionen bewusst als Marketinginstrument nutzen, um sich in der Öffentlichkeit als verantwortungsvolle und schnell handelnde Marke darzustellen. Schnell handeln musste auch die Nestlé-Tochter Buitoni, die in Frankreich seit Mitte März mit E.-coli-Bakterien verseuchte Fertig-Pizza der Marke «Fraich´Up» aussortieren muss. Aufgrund teils schwerer Krankheitssymptome ermittelt derzeit sogar die Pariser Staatsanwaltschaft wegen «fahrlässiger Tötung», «Täuschung» und «Gefährdung anderer».

Das heisst – es wird an Ostern wohl auch keine Pizza geben. Und, was immer uns der Osterhase ins Nest legt… es könnte umgehend zurückgerufen werden.

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