Die spinnen, die Zürcher!

Auszeit mit

Sie ist so etwas wie historisch gewachsen – die sprichwörtliche Rivalität zwischen Basel und Zürich. Der Basler Autor Hans A. Jenny, eben erst 91-jährig gestorben, führt sie auf Ereignisse um das Jahr 1350 zurück. Der 84-jährige Historiker und Mittelalter-Spezialist Werner Meyer (in Basel liebevoll «Burgen-Meyer» genannt) auf die Vormachtstellung Basels im Mittelalter. Sicher ist sie – diese Rivalität – ein von Geschichte und Erfahrung der Gegenwart geprägtes Verhältnis, nicht feindlich, aber auch nicht ungetrübt. Aber immer wieder ein Thema.

Der Basler Anti-Zürich-Reflex wird wohl noch einige Zeit bestehen bleiben. Zwar ist die Stellung Zürichs inzwischen anerkannt: Man weiss in Basel um die eigene periphere Lage in der Schweiz, im kleinen Stadtstaat mit engen Grenzen zu Deutschland, Frankreich, Baselland und dem Jura auf der falschen Seite. Man weiss, dass Zürich – am See und umgeben nur von «Schweiz» -, weiter wachsen und wohl noch dominanter werden wird. Basel gefällt sich im Bewusstsein des «klein aber fein», ist stolz auf die weltweit fast einzigartige Dichte an Forschung, Wissen, Kunst und Kultur auf nur 37 Quadratkilometern und rühmt sich, die schönste Fasnacht zu haben. Einst war es noch der beste Fussballclub. Aber das sind tempi passati. Auch dieses Monument haben die Zürcher heuer niedergerissen (nach Jahren im weitaus erträglicheren Berner Schatten). Das drückt auf die Moral und verstärkt das Gefühl der Benachteiligung. Minderwertigkeitsgefühl und Selbstübersteigerung, in beidem spiegelt sich die Basler Seelenlage. Der Vollblutbasler und ehemalige Banker Georg Krayer (bis 2008 Verwaltungsratspräsident der Basler Privatbank «Sarasin» – heute «Safra Sarasin») deutete einst beides «als Abwehrreflex jener, die gemerkt haben, dass für sie das Rennen verloren ist.» Diese Tatsache wiederum kultiviert einen anderen Reflex – den Reflex der Schadenfreude.

Was – zugegeben – nicht sonderlich fair oder «fein» ist, aber bisweilen einen winzigen Augenblick lang gut tut. Zwischendurch gönnen wir ihn den Zürchern einfach, den Tritt ans Schienbein. Schon nur des Dünkels wegen, den wir am unteren See-Ende verorten. Und für den wir in diesen Tagen wieder eindrückliche Beweise erhalten. Zum Beispiel auf der Speisekarte des Zürcher Hotels «Storchen», direkt an der Limmat, mit eigener Anlegestelle für die beiden touristischen Flussboote «Felix» und «Regula».

Es sei in diesem Zusammenhang an den Basler Volksschauspieler und Kabarettisten Ruedi Walter («Die kleine Niederdorfoper», «Spalebärg 77A», u.a.) erinnert. Seine Erfahrung mit der Zürcher Gastronomie ist Kult. Überliefert in einem Sketch der späten 50er-Jahre («s´isch Polizeischtund, hösch»). Weil ihm ein Barmann im Niederdorf kurz nach Mitternacht ein Bier verweigert, staucht er diesen vaterländisch zusammen. «Byss dr in d Stirne und schalt dr Ruggwärtsgang yyne, odr y drüll dr s´Schwungrad aa, as d´mainsch de sigsch e Girobus.» Das gehört noch zum Harmlosesten, was sich die (Zitat) «Schmalspurfigur» im (Zitat) «Saftladen» im «Dörfli» anhören muss. Ähnlich Deftiges würde dem Basler Gast vermutlich entfahren, wenn er in diesen Tagen – und damit zurück zur Anlegestelle von «Felix» und «Regula» – im «Storchen» einen Blick in die Speisekarte werfen würde.

Bei diesem Blick bekommt die Weisheit «was nichts kostet, ist nichts wert» eine ganz spezielle Bedeutung. Ein Teller Kopfsalat als Vorspeise kostet schamlos übertriebene 20 (zwanzig!) Franken! Für all die Banker, Berater und Touristen dort offensichtlich Peanuts… Sie bestellen dann vielleicht den Salat «zusätzlich mit einer gebratenen Gänseleber», macht weitere 18 Franken. Danach ordern sie als Hauptgericht «Stefan´s Bouillabaisse». Kostenpunkt: 82 Franken. Wer´s als Vorspeise mag, dem werden 52 Franken in Rechnung gestellt. Von Stefan eben – das ist Stefan Jäckle, der Küchenchef, der den Bezug zur Realität vollkommen verloren zu haben scheint. 82 Franken für eine simple Fischsuppe – da dreht es einem die Kopfsalat-Vorspeise im Magen um.

Die Preise schiessen durch die Decke, das Angebot verkümmert zum Rinnsal… Gerade mal drei Seiten umfasst das spärliche «Storchen»-Angebot. «One Hour Lunch», «Vorspeisen», «Hauptgerichte». Dort finden sich 4 – vier! – Teller. Durchschnittspreis 65.50 Franken. Alles geht hoch – nur der Pegel der Limmat tendiert derzeit abwärts. Zürich wird zur kulinarischen Hochpreis-Insel. Das deutete sich schon vergangenen Sommer an, als der Preis einer Wassermelone im «Globus Delicatessa» an der Bahnhofstrasse medial die Runde machte. Sagenhafte 101.05 Franken (7 Franken pro Kilogramm!) kostete das Ding. Etepetete! Und beim Italiener um die Ecke im Zürcher Hardbrücke-«Westend» wird der Digestiv in diesen Tagen mit satten 16 Franken verrechnet. Da kann eine kleine Abschlussrunde zu viert schon mal auf den Magen schlagen.

Inflation ist, wenn der Lunch zum Ruin mutiert. In Zürich steuern sie schnurgerade auf diesen Punkt hin. Und es dürfte wohl erst der Anfang sein. Die spinnen, die Zürcher! Was jedoch auch festzustellen ist: Eine Fischsuppe für über 80 Franken schreckt zwischen Hardturm und Bürkliplatz kaum jemanden.

Auch wenn Solches in Basel da und dort mit Kopfschütteln quittiert werden dürfte.

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