“Cocain, what else?”

Auszeit mit

Nespresso. «What else?» Sagt´s – und hinterlässt auf irgendeiner Restaurant-Terrasse oder in x-einem Coffee-Shop eine aparte Schönheit mit leicht geröteten und im Ansatz feuchten Augen. So ist er eben, der George. Der Hollywood-Star George Timothy Clooney, der seit über einem Jahrzehnt als Aushängeschild der Schweizer Kaffee-Ikone Nespresso die Genuss-Gemeinde zum Kapselsystem aus der Romandie konvertiert. Er macht das übrigens derart erfolgreich, dass er sogar parodiert wurde. Die erwähnte Parodie des italienischen Kaffeemaschinen-Herstellers «Espresso Club» im israelischen Fernsehen war vor ein paar Jahren Stein des Anstosses für eine Klage der Nestlé-Tochter gegen die Doppelgänger-Werbung. 2019 entschied ein Gericht in Israel allerdings in letzter Instanz gegen die Schweizer Klägerin.

Mehr Erfolg dürfte «Nespresso» mit einer allfälligen Klage wegen Trittbrettfahrerei beschieden sein. Im Fadenkreuz dieser Klage: die Absender von 500 Kilogramm Kokain in Kaffee-Containern aus Brasilien. «What else?» dachten sich vermutlich die Arbeiter im Nespresso-Werk im freiburgischen Romont, als sie beim Abladen der Säcke mit frisch gelieferten Kaffeebohnen die Bescherung entdeckten. «Was sonst?» – nie machte der pfiffige Werbe-Slogan mehr Sinn.

Die ausgerückten Beamten der Drogenfahndung hatten das Gelände in nullkommanichts grossräumig abgeriegelt und die etwa 20 Mitarbeiter des Bundeamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) lieferten zeitnah eine Analyse des weissen Pulvers: Kokain – erkleckliche 500 Kilogramm, mit einem Reinheitsgrad von 80 Prozent, und einem geschätzten Verkaufswert von 50 Millionen Franken.

Ein ordentlich dicker Fisch. Nicht der dickste allerdings in der langen Geschichte der Schweizer Drogenfahndung.

Der Rekordfund datiert vom 16. Mai 2019. Um 17.26 Uhr landete eine Gulfstream V auf dem privaten Rollfeld des Euroairports in Basel/Mulhouse. Die Szenerie hätte einem Krimi entstammen können: Aus dem Privatjet stiegen der Pilot, der Co-Pilot und eine Flugbegleiterin. Der Pilot holte zwei Mietwagen – einen Smart und einen Ford Transit. Die Besatzung stemmte insgesamt 603  Kilogramm Koks in Koffern aus dem Flugzeug und verstaute sie im Lieferwagen.

Was die Drei nicht wussten: sie wurden längst von den internationalen Drogenfahndern der damaligen «Operation Familia» observiert. Der Drogentransport endete im Parkhaus des Basler «Grand Casinos». Dorthin steuerten die Schmuggler ihren Transporter. Und dort wurden sie von den Fahndern empfangen und festgenommen. Endstation. Als Hauptbeschuldigter wurde der Montenegriner Michael Dokovich identifiziert – auch bekannt als «El Chapo von Kroatien».

Wie Nespresso wurde im Jahr 2020 auch «Coop» mit einer grossen Ladung Kokain «beliefert». Damals wurden in mehreren Filialen der Schweiz insgesamt 140 Kilogramm sichergestellt. Deponiert in Bananenkisten.

Im August 1997 flog in Genf einer der spektakulärsten Drogenschmuggel auf. Damals entdeckte die Polizei 13 Kilogramm Kokain in einem Container für Zierpflanzen. Pikant hinter dem «Coup»: Den Container hatte der damalige Schweizer Nestlé-Direktor von Guatemala organisiert. Sein Sohn war einer der beiden Hauptverdächtigen in dem Fall. Er wurde zusammen mit einem Freund festgenommen.

Dieser Fall beschäftigte die Schweiz darauf jahrelang. Zahlreiche Anekdoten über Mord, Sex, Korruption und abgesetzte Richter reihten sich in den folgenden Jahren zu einem Krimi. Der ehemalige Nestlé-Direktor wurde von der Beihilfe zum Drogenhandel freigesprochen und setzte sich nach Argentinien ab. Weil er später in Abwesenheit allerdings verurteilt wurde, tauchte er kurzerhand unter. Sein Sohn und dessen Komplize kamen im November 2003 frei.

Die Schweiz dient seit Jahren und immer wieder als Drogen-Drehscheibe. Das bestätigt auch Sergio Mastroianni, seit 20 Jahren Staatsanwalt des Bundes und für organisierte Kriminalität zuständig: «Die Schweiz dient als Transitland für den Weitertransport, und gleichzeitig werden hier Endabnehmer versorgt.»

Und die Endabnehmer in der Schweiz gehören zu den dankbarsten in Europa. Denn nirgends wird so viel gekokst wie in Helvetien. Ein Indiz dafür dürften die Kokainrückstände in den Abwässern sein. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht fasst jedes Jahr in einer Städte-Liste die Abwasseranalysen zusammen. Getestet wird auf verschiedenste Substanzen, darunter Kokain. In den Top Ten der Städte mit den höchsten Kokainrückständen im Abwasser ist die Schweiz gleich viermal vertreten: St. Gallen (Rang 2), Zürich (Rang 4), Basel (Rang 7) und Genf (Rang 9).

Der Kaffeekonsum von Herrn und Frau Schweizer wird von der Beobachtungsstelle nicht erhoben. Es liessen sich in den Abwässer aber mit Sicherheit namhafte Rückstände von Koffein finden. Und sollte mein in der Werbung als  süss und leicht angepriesener «Volluto» aus Romont nun auch noch mit brasilianischem Koks versetzt sein, dann vielen Dank.

Einen sinnvollen Kommentar für ein derartiges Desaster hätte wohl auch Mr.Clooney nicht übrig. Ausser vielleicht. «Cocain, what else?»

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