Noch bis vor Kurzem war zu befürchten, dass in naher Zukunft die einzigen Menschen auf der Strasse Amazon-Lieferanten sein würden. Und jetzt das!

In die Stadt, deren Bild bis gestern vorwiegend Pandemie-Nachwehen und die vielen Vorsichtigen mit Medizinal-Masken vor Mund und Nase geprägt haben, kehrt Leben ein. Leben in seiner ur-baslerischen Form. Dabei ist es erst kurz vor 03.00 Uhr. Das “Drämmli” spuckt an der Heuwaage und am Bankverein hunderte von Kostümierte aus dem “Hinterland” von Birs und Birsig aus – die Larven in die Ellenbogen-Beuge geklemmt. Am Bahnhof ergiesst sich die Masse der Fasnächtler mit und ohne “Goschdym” aus Pratteln, Liestal oder Waldenburg auf den Zentralbahnplatz, von wo sich die Blase hin zur Innenstadt verteilt. Es kommt Bewegung in den frühen Montagmorgen…

Und dann – mit dem Vier-Uhr-Glockenschlag, dem Eintauchen in die Stadtbasler Dunkelheit und dem herrisch gebrüllten “Morgestraich! Vorwärts – marsch!” des Tambourmajors entlädt sich die vielerorts noch latente Angst davor, es könnte am Schluss x-eine Covid-Variante doch noch zum Party-Killer werden. Dabei sind sich eigentlich alle – Aktive und die Menschen am Strassenrand – einig: zwei Jahre Enthaltsamkeit sind mehr als genug. Da gingen im Vorfeld der von den Gesundheits-Hütern anfänglich zögerlichen Schrittes legitimierten “Drey scheenschte Däg” selbst jene Stimmen in einem gepflegten Trommel-Wirbel unter, die davon zu fabulieren begannen, die Solidarität mit den ukrainischen Opfern des russischen Ober-Tambourmajors Wladimir verbiete die Ausgelassenheit des in zwei Pandemie-Jahren ausgezehrten Basler Fasnachts-Volks.
Nichts da!

Zweimal geopferte Fasnachts-Glückseligkeit (2020 und 2021), vielmehr erträgt das Herz des Berufs-Bebbi nicht. Das Virus hinterlässt auch nach seiner (mutmasslichen) Vertreibung unübersehbaren Spuren. Die Zeitknappheit hat es kaum einer Formation erlaubt, ein top-zeitgemässes Sujet zu präsentieren. Glücklich jene, deren Idee für die 2020er-Fasnacht in den vergangenen zwei Jahren nichts an Aktualität verloren hat. Als Beispiel für alle von ihnen, “D’Schnuurebegge”. Sie beklagen die gefühlt tausenden von E-Trottinetten, die überall in der Stadt im Weg herumstehen. Ihr Sujet, “E-aesy Rider”, das sie kurz und knapp so auf den Punkt bringen:

My Albtraum jeedi Nacht im Bett
D Hells Angels uff eme Trottinett!
Das Freiheitsgfyhl isch hitt no toll
(vorusgsetzt s isch der Akku voll)
Ob Trotti, Scooter oder Roller
D Stadt wär ohni all das toller.

Aber – ob von der Aktualität überholt oder nicht, die Basler Fasnacht 2022, der – notgedrungenermassen – ein Hauch von Improvisation anhaftet, hat heute früh mit einer weit herum hörbaren Explosion lange Zeit unterdrückt gehaltener Piccolo-Klänge und Trommel-Wirbel ihre Befreiung gefeiert. Im Spalier und umjubelt von all den Sympathisanten in Zivil am Strassenrand hörten sich der “Morgestraich”, das “Nunnefirzli” oder die “Routesynfonie” an wie ein melodifiziert gehuldigtes “Danggscheen” an die Basler Fasnachtsgötter.

Zwei Jahre Entzug – und jetzt die volle Dröhnung…
Das haben sich die Basler und Basel redlich verdient!

Peter Zwicky

peter@dzytig.ch


Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein