Ei, du scheene…

Auszeit mit

Basler Fasnacht zum Dritten.

Im Januar 2018 stellte der aus Ried-Brig stammende Walliser Germanist Kurt Schnidrig in einem Aufsatz unter dem Titel “Ei, du scheene Schnitzelbank” fest: “Die Fasnachtsliteratur boomt.” Wobei er im selben Atemzug dezente Vorbehalte anmeldet, wenn er ergänzt: “…auch wenn nicht alles einen Literaturpreis verdient, was da in Wort und Schrift ‘gebrünzelt’ wird.”

Wie auch immer – Kurt Schnidrig kommt in seiner Abhandlung zum Schluss, dass der Schnitzelbank (Basldytsch Schnitzelbangg) die älteste und traditionsreichste Form der Fasnachtsliteratur ist. Der Ausdruck “Schnitzelbank” – dies als kurzer Exkurs in die Entstehungsgeschichte des Begriffs – lässt sich auf die Hobelbank zurückführen, an der die Schreiner ihre Holzstücke und Bretter zurechthobeln, wobei hölzerne Schnitzel von der Hobelbank fliegen. Im übertragenen Sinn, so die Folgerung, lassen auch die Schnitzelbanksänger “geistige Schnitzel” in Form von Versen und kurzen Texten fliegen.

Hört sich plausibel an.

Wen wundert’s, dass die Basler die Erfindung des Schnitzelbanks für sich reklamieren. In der Basler Fasnacht lässt sich der Schnitzelbank als elementarer Teil des närrischen Geschehens nämlich bis in die 1830er Jahre zurückverfolgen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg schlossen sich die Basler Sänger zur Vereinigten Schnitzelbankgesellschaft Basel (VSGB) zusammen. Sie hat bis heute überlebt, nennt sich inzwischen “Verainigty Schnitzelbangg Gsellschaft” VSG und zählt aktuell 10 Mitglieder-Bängg. In Parallel-Organisationen  entstanden 1921 das “Schnitzelbank Comité”, mit heute 25 Mitgliedern der grösste Verbund; ebenfalls 1921 die “Basler Schnitzelbangg Gsellschaft” BSG (13 Mitglieder); 1995 die “Bebbi Bängg” (9); 1998 die “Bängg fir Basel” (9); und im Jahr 2000 das “Comité 2000” (7), das sich jedoch auf wesentlich frühere Wurzeln beruft und heute deshalb unter dem Label “Comité 1914” firmiert.

Es versteht sich praktisch von selbst, dass im Harst von mehr als 70 organisierten und einem Supplement von einer guten handvoll unorganisierten, “wilden” Bängg bisweilen ein nicht “überhörbares” Niveau-Gefälle ausmachen lässt. So wünschen sich hin und wieder die Qualitätsbesessenen die Zeit zurück, als Fasnachtsliteratur – was die Schnitzelbänke, wie wir wissen, auch sind – noch der Zensur unterlegen hat. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war es nämlich auch in der demokratischen Schweiz üblich, die Auswüchse und Frivolitäten der Fasnachtsliteratur zu bekämpfen. Was “Unanständigkeiten und Beschimpfungen” waren, beurteilte die Polizei, und in schlimmeren Fällen zogen die Verspotteten sogar vor die Gerichte.

So etwas würde ihnen – den Verspotteten – heute nicht mehr einfallen. In der Neuzeit hat sich mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass erst wirklich einer “öpper”” ist und zur Prominenz gehört, der es auf die Opferliste eines Schnitzelbängglers geschafft hat. So wie zum Beispiel Roger Federer aktuell auf die des “Singvogels”:

Jetzt isch dr Federer wäg syne “on”-Schueh froh,

dass “on”-Schueh Laufschueh sin fir Sportler – oder so,

denn wenn’s statt Laufschueh Halbschueh wäre, in däm Rahme,

miecht är no ungfroggt fir dr Djokovic Reklame.

So steht nicht nur dieser Vers für einen guten Schnitzelbangg- Jahrgang 2022. Über die Köpfe der Prominenz – und über jene, die gerne prominent wären – wird in wunderbarster Fasnachts-Poesie das Fallbeil heruntergelassen gelassen. Über Bundesrat Ueli Maurer zum Beispiel, weil er (nicht ganz unproblematischerweise) mit den “Freiheits-Trychlern” fraternisiert. Oder David Degen, weil er dem trudelnden FC Basel zwar Ruhe versprochen aber inzwischen vielmehr Unruhe gestiftet hat.

Der Basler Schnitzelbänggler verzeiht nichts… und er vergisst auch nichts. Auf dass es in einem Jahr (Morgestraich am 27. Februar 2023) wieder heisst: Ei, du scheene…

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