War`s das? Rosarote Brille geht nicht

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Ja, das war es – hier und heute – mit diesem Jahr 2022. 

In wenigen Stunden ist es endlich vorbei. Bei 18 Grad Höchsttemperatur heute, was auch für Basel neu und bemerkenswert ist.

Auch wenn man dieses nunmehr gewesene Jahr Monat für Monat durch die «rosarote Brille» betrachtet: man bleibt traurig und still und denkt «Wie das wohl noch alles werden wird?». 

Die erheblichen Kontraste in unserer direkten Umgebung und in der Welt blieben im Jahr 2022. Die neuen Unsicherheiten werden länger bleiben. 

Der nächste Frühling mit seinen «Starkregenereignissen» und der Sommer mit seiner «Dürre» kommen bestimmt. Und mutiertes neuerliches Corona – woher auch immer – die ungewohnte Inflation, die hohen Preise, die steigenden Flüchtlingszahlen und anderes mehr.

Wir stossen trotzdem an mit einem oder zwei Cüpli Krim-Sekt!

Ukrainisch: шампаньске/Schampanske. Und nicht Schampanskoje, was Russisch wäre.

Danach geht es traditionell weiter, mit dem hierzulande als Kulturgut geltenden «Rimuss». Schön alkoholfrei, um den geschärften Blick nicht zu riskieren. https://www.rimuss.ch

Traurig wird man auch bei einem anderen beständigen Thema. 

Das war es dann wohl auch: mit dem geliebten Schnee an Weihnachten in den Bergen.

Denn nach den Vorhersagen wird es wohl nicht wieder so oft sein, dass zum Jahreswechsel Weihnachtsbäume und Silvester-Feuerwerk in den Kurzferien im Schnee für den schweizerischen Normalbürger, skifahrenden ausländischen Mitbürger und die nach wie vor zahlungsbereiten Auslandsgäste zum gewohnten alljährlichen Lebensstandard gehören wird. 

Das schein vorbei zu vorbei. Die Zukunft für den Schneesport in der Schweiz sieht alles andere als rosig und weiss aus. Die aktuellen Klimamodelle sagen nämlich voraus, dass es in den kommenden Jahrzehnten im Winter zwar mehr Niederschläge geben wird, die aber immer häufiger nicht als Schnee, sondern als Regen auf uns niederprasseln werden.

Dennoch verwendete der ägyptische-montenegrinische Visionär, Milliardär & Investor Samih Sawiris – übrigens seit 2008 und bis heute anhaltend, mehrere Millionen Schweizer Franken, um das Skigebiet «Andermatt-Sedrun-Disentis» um- und auszubauen. 

Er brachte die Region Andermatt UR dabei erst gegen sich auf und danach komplett bis auf die wenigen Mahner dann hinter sich. 

Angesichts der Geldsummen, die er für dieses alpine Tourismusprojekt aufbringt – er ist noch in der Republik Montenegro am «Projektieren» und inzwischen deren Staatsbürger – wird er sich den Erfolg seiner finanziellen Investition in Andermatt sicher sehr gut überlegt haben, und zahlenbezogen breit abgestützt gewesen sein bei seinem ökonomischen Kalkül. 

Oder war es eine kurzsichtige Entscheidung, die sich bald rächen wird?

Die im letztwöchigen Artikel «Warme Weihnachten. Alpengrün. Und Alpenbraun» zitierte Forscherin Frau Dr. Erika Hiltbrunner vom Departement Umweltwissenschaften der Universität hier in Basel hat mit ihren Mitarbeitern berechnet, inwiefern sich dieses Skigebiet künftig mit «technischer Beschneiung» sein gewohntes Weihnachtsgeschäft und eine mindestens 100-tägige Skisaison relativ sicher bewahren kann. Dafür sammelten sie Daten über die Ausrichtung der Pisten, die Orte, die beschneit werden müssen und wie viel Wasser dafür jeweils und in der Summe insgesamt verwendet werden muss. 

Zudem nutzten Frau Hiltbrunner und Mitarbeiter die neuesten Klimaszenarien (CH2018) in Kombination mit der Simulierungssoftware «SkiSim 2.0», um die konkret erwartbaren Schneeverhältnisse mit und ohne die technische Beschneiung genauer zu projizieren. Die Ergebnisse dazu erschienen im Journal «International Journal of Biometeorology».

Was fanden die Forscherinnen & Forscher heraus?

Die künstliche Beschneiung kann zumindest in den höher gelegenen Teilen des Skigebiets (über 1800 Meter über Meereshöhe) die gewünschte 100-tägige Skisaison gewährleisten.

Aber für das klassische Geschäft während der Weihnachtsferien an 10-14 Tagen (je nach Brückentagen) dürfte es in den kommenden Jahrzehnten knapp werden, da es im Vorfeld nun seltener als bisher kalt genug wird. Es muss nämlich ausreichend kalt genug sein.

Bei einem ungebremsten Klimawandel wird besonders die Region Sedrun auf Dauer keine Schneegarantie über die Weihnachtsferien mehr anbieten können. Und nur zu einem gewissen Grad könne man diese neue Realität mit den neuen Beschneiungsanlagen auffangen, aber eben nur teilweise, schreiben die Forschenden. Man bleibt vage.

«Was viele nicht bedenken, ist, dass man auch für die technische Beschneiung gewisse Witterungsverhältnisse braucht», erklärt Frau Dr. Hiltbrunner. Da wird man konkret.

«Es darf nicht zu warm sein und die Luft nicht zu feucht, sonst entsteht keine ausreichende Verdunstungskälte, damit das zerstäubte Wasser in der Luft gefriert und als Schnee herunterkommt.»

Das scheint für uns Laien logisch zu sein. Denn aus dem Physikunterricht der 6./7. Klasse wissen wir alle: warme Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf. Somit wird es mit wärmeren Wintern auch zunehmend immer schwieriger bis fast schon unmöglich, den teuren & technisch gemachten Schnee überhaupt zu erzeugen. 

Anders ausgedrückt: «Hier setzt die Physik der technischen Beschneiung natürliche Grenzen.»

Diese praktische Schlussfolgerung ist vielen Menschen – trotz des erlernten physikalischen Grundwissens – nicht wirklich präsent. Sie ist für den Erfolg aber entscheidend.

Schneesport und dadurch die Umsatzgenerierung sind aber weiterhin möglich, denn die künstliche Beschneiung ermöglicht es den Seilbahn-Unternehmen zumindest die höher gelegenen Pisten während 100 aufeinanderfolgenden Tage noch geöffnet zu halten. Auch noch bis Ende des Jahrhunderts und mit ungebremst fortschreitendem Klimawandel beim schlechtesten Szenario. Es besteht somit die erforderliche Planungssicherheit für die Investitionen.

Der zu zahlende Preis dafür ist aber sehr hoch: die Berechnungen der Forschenden zeigen, dass der Wasserverbrauch für diesen Kunstschnee erheblich steigen wird – für das gesamte Skigebiet Andermatt & Co. um rund 80 Prozent.  In einem durchschnittlichen Winter gegen Ende des Jahrhunderts beliefe sich der Verbrauch somit auf rund 540 Millionen Liter Wasser, dieses im Vergleich zu heute mit ca. 300 Millionen Litern Wasser an Verbrauch.

Allerdings sei diese Bedarfssteigerung um ca. 80 % noch relativ moderat im Vergleich zu anderen Skigebieten, betonen die Forschenden. Frühere Studien hätten nämlich schon gezeigt, dass sich beispielsweise der Wasserverbrauch für die Beschneiung im Skigebiet Scuol GR um das 2,4- bis 5-fache steigern wird, weil dort die beschneite Fläche stark vergrössert werden muss, um die ersehnte Schneesicherheit zu garantieren. 

Da runzelt der Laie schon mal seine Stirn und fragt sich, wo das viele Wasser dafür eigentlich herkommen und wer das dann bezahlen soll.

In Frau Dr. Hiltbrunners Studie werden (investitionsfreundliche) Perioden von 30 Jahren betrachtet. Allerdings gibt es grosse jährliche Schwankungen: im z.B. schneearmen Winter vor 5 Jahren, im Jahr 2017, verdreifachte sich der Wasserverbrauch für die Beschneiung von nur einem der 3 Teilgebiete der gesamten Skiregion «Andermatt-Sedrun-Disentis».

Heute kommt ein Teil des Wassers für die notwendige Beschneiung des grössten Teilgebietes von «Andermatt-Sedrun-Disentis» aus dem nahen Oberalpsee in 2028 Metern Höhe. Zum Zweck der Beschneiung dürfen aus diesem See aktuell aber jährlich maximal 200 Millionen Liter Wasser entnommen werden. Neue Konflikte sind so vorprogrammiert.

Setzt sich der Klimawandel z.B. ungebremst fort, wird das zwar bis Mitte des Jahrhunderts reichen, danach jedoch müssten spätestens dann neue Wasserquellen bereits erschlossen sein. Mich persönlich wundert diese optimistische Aussage mit diesem Zeithorizont, Mitte des Jahrhunderts ist in 28 Jahren.

«Am Oberalpsee wird auch Strom mit Wasserkraft erzeugt», so Frau Dr. Maria Vorkauf, Erstautorin der Studie, die inzwischen bei der Forschungsanstalt Agroscope arbeitet. 

«Hier werden wahrscheinlich Konflikte zwischen dem Wasserbedarf für das Skigebiet und jenem für die Stromerzeugung entstehen.» Das auch noch.

Zunächst einmal dürfte dieses durch den Investor Sawiris grundlegend umgestaltete Skigebiet in Andermatt UR vom Klimawandel direkt profitieren. Denn wenn tiefer gelegene und kleinere Skigebiete schliessen müssen, konzentriert sich der gesamte Schneesport auf grosse und höher gelegene Skigebiete, wie beispielsweise die Skiregion «Andermatt-Sedrun-Disentis»

Des Investors Sawiris Rechnung könnte somit aufgehen und er kann noch am Preis drehen lassen, gemäss dem Wechselspiel von Angebot & Nachfrage. Der von mir beim Artikel zu den Unbilligkeiten im Lebensmittelhandel diskutierte «Tagespreis» ist schon länger eine Realität in der Schneesport-Branche. Die Region Laax-Flims in der Ostschweiz spurte dabei vor. Die anderen machen es natürlich mehr oder weniger nach. Kurzfristige Einnahmesteigerungen und langfristige Folgeschäden blieben und bleiben dabei immer unklar, weil man fast geheim experimentiert und nichts rauslässt ausser kumulierten Zahlen in der Jahresrechnung.

Das landschaftlich traumhafte grosse internationale Skigebiet Samnaun-Ischgl ist da in 2020-2022 eine löbliche Ausnahme gewesen; mit Rücksicht auf die sehr grosse Stammkundschaft aus dem Euro-Raum, die in EU-A-Ischgl in das gemeinsam mit CH-Samnaun GR betriebene Skigebiet einchecken und nicht mehr bereit sind, dafür jeden geforderten Preis zu zahlen. Für mich persönlich nach wie vor das beste Skigebiet der Ostalpen.

Fest steht hier und heute, dass diese notwendige verstärkte Beschneiung die bisherigen Wasser- und Energiekosten und damit die vom «Normalbürger» heute schon fast nicht mehr akzeptierten Preise für einzelne Skitage – von längeren Skiferien redet man schon gar nicht mehr – noch weiter in nicht für möglich gehaltenen Höhen treiben wird.

«Irgendwann können sich Personen mit durchschnittlichem Einkommen solche Ferien schlicht nicht mehr leisten», so ganz nüchtern und sachlich Frau Dr. Erika Hiltbrunner. Und das scheint mir eher noch untertrieben zu sein: nach meiner Beobachtung wollen sich auch überdurchschnittliche schweizerische Doppelverdiener mit 2-3 oder mehr Kindern zweimalige wöchentliche Skiferien in der Schweiz nicht mehr leisten. Sie fliegen lieber nach Spanien oder in die derzeit preiswerte gastfreundliche Türkei an Ostern/in den Schulferien.

Somit wird eine jahrzehntelange gute schweizerische Tradition der obligatorischen Skiferien an Weihnachten und an Ostern so langsam Geschichte – ein herber Verlust an kultureller Eigenheit und schweizerischer Identität in diesem immer noch schneesportbegeisterten Land, die noch fast jeder Zugereiste früher oder später auch gut fand und übernahm. In der Schweiz leben und nicht Skifahren können und gehen, da gabs eher selten.

«Gott sei Dank» gibt es heute noch die obligatorischen Ski-Lager als Teil des Unterrichts in der Sekundarstufe 1. Dieses in einer fast immer schneesicheren Monatszeit mit einem schlagenden finanziellen Angebot der zahlenden Schulgemeinden für ihre SchülerInnen und deren Eltern und Zuzahlungsberechtigte, was bisher immer gut gebucht war und wie der Hauswirtschaftsunterricht für Meitli & Buben einfach zur Schulkultur dieses Landes dazu gehört. Kinder von SchweizerInnen und ausländischen Mitbürger erlernen im Klassenverband mit Plausch und unter fachkundiger Leitung im Beisein ihrer Lehrer und mancher Eltern das alpine Skifahren. Was sie sich sonst wohl nicht leisten würden und dürften, wenn sie es denn könnten.

Was uns Älteren heute an diesem Silvester 2022 bleibt, ist unsere Erinnerung an wunderschöne schneesichere und überwiegend sonnige Skitage an Weihnachten & Ostern, die man sogar als einstmals «mittelloser» Studi, mit einem mit Lebensmitteln vollbepackten Kombi, in preisstabilen, einfachsten Unterkünften nächtigend – wie z.B. in Samnaun GR – irgendwie immer hinbekommen konnte. Wer nämlich täglich 4-6 Stunden konzentriert Ski fährt und dabei bewusst die Natur, die reinere Luft, den pulvrigen Schnee und die Sonne am stahlblauen Himmel geniesst, fällt spätestens nach dem Nachtessen todmüde, aber glücklich ins Bett. Eine Woche aktives Skifahren bringt den Erholungseffekt von 2-3 Wochen Sommerferien. 

Was will der Mensch mehr! Geht aber nur, wenn Schnee und nicht nur Moos da ist. Das alles scheint jetzt je nach Höhenlage des avisierten Skigebietes langsam aber sicher wirklich vorbei zu sein. 

Es sei, man gewinnt in einer Lotterie einen namhaften Betrag und ist mit diesem auch zukünftig ein zahlungsbereiter – und dann auch gern gesehener – Gast bei solchen langjährigen, «visionären» Gastgebern & Investoren, wie z.B. hier im Samnaun GR: https://www.bazonline.ch/das-zollfrei-eldorado-wird-zum-luxusziel-664051117228  «Das Zollfrei-Eldorado wird zum Luxusziel: Das Relais & Châteaux Chasa Montana ist neu ein Highend-Hotel. Patron Hubert Zegg hat über 20 Millionen Franken investiert und zählt auf betuchte Kundschaft.»

Dessen Kunden werden dann inskünftig an Weihnachten, an Ostern und an Pfingsten für sonnige & weiss beschneite Lagen gut bezahlen: auf 1844 Metern Höhe im 5-Sterne-Hotel und am Tag bis 2870 Metern Höhe für den Plausch & Zirkus im Silvretta-Skigebiet. Andere Domizile werden zurückgebaut oder abgerissen und ersetzt.

Investor Samih Sawiris wirtschaftliches Kalkül in seinem Projekt «Andermatt» scheint somit aufzugehen, mit seiner Vision von der Skiregion «Andermatt-Sedrun-Disentis»

Es war eben keine kurzsichtige Entscheidung, um die eingangs dieses Artikels gestellte Frage zu beantworten.

Dieselben Gedanken wie Sawiris hatten natürlich auch andere Inverstoren: «Skiort San Bernardino soll zu einem zweiten Andermatt werden» titelte die bildhafte «BLICK»-Zeitung vor 5 Tagen. 

erden-id18173275.html">https://www.blick.ch/schweiz/tessiner-immobilien-koenig-plant-millionenprojekt-skiort-san-bernardino-soll-zu-einem-zweiten-andermatt-werden-id18173275.html

Die (Teil-)Finanzierung der nächsten Studie der Forscher von der Uni Basel dürfte gesichert sein. Oder eine Spende. Oder beides.

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