Trink-Sucht einmal anders

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Es gibt Realitäten, von denen haben viele von uns bisher gar nichts oder nur wenig gewusst: vom übermässigen Trinken im Alltag.

Dabei geht es nicht um den allseits beliebten & wertgeschätzten Alkohol in seinen vielen Varianten, sondern um zu viel Trinken von Wässern im Verlaufe eines Tages.

Denn auch so etwas gibt es!

Das Problem: wer als unsportlicher Durchschnittsmensch ausserhalb von Hitzetagen regelmässig mehr als drei bis vier Liter Flüssigkeit am Tag trinkt, könnte an einem (seltenen) Mangel eines Hormons leiden! Und damit an einer Hormonstörung.

Bei vielen Menschen ist solches Trinken eher eine harmlose Gewohnheit. 

Eine Verwechslung ist allerdings fatal, weshalb Forschende untersucht haben, welcher Test nun eine zuverlässige Diagnose liefert und damit zum Goldstandard wird, wie sich die Mediziner vornehm ausdrücken.

Literweises übermässiges Trinken, auch «Polydipsie-Polyurie-Syndrom» genannt, 

  • ist meistens mit der Zeit durch Gewohnheit entstanden oder 
  • eine Begleiterscheinung einer schlummernden oder offenen psychischen Krankheit. 

In seltenen Fällen steckt aber ein Defizit an Vasopressin dahinter. Dieses Hormon von der Hirnanhangdrüse steuert nämlich den Wasser- und Salzgehalt im Körper des Menschen.

Personen mit einem Vasopressin-Defizit können den Urin nicht konzentrieren, verlieren deshalb immer grosse Mengen an Flüssigkeit und verspüren so immer ein starkes Durstgefühl. Und trinken immer und immer wieder.

Die Unterscheidung zwischen einer «harmlosen» Form des Vieltrinkens und einem Vasopressin-Defizit ist äusserst wichtig: im ersten Fall werden Betroffene verhaltenstherapeutisch begleitet, um die Trinkmenge langsam zu reduzieren. 

Personen mit einem Vasopressin-Defizit erhalten hingegen das Hormon Vasopressin. 

In den letzten Jahren haben sich die beiden Forschungsgruppenleiterinnen Prof. Dr. Mirjam Christ-Crain & Frau PD Dr. Julie Refardt von der Universität Basel zusammen mit mehreren nationalen und internationalen Zentren intensiv mit den gängigen Testmethoden zur eindeutigen Unterscheidung dieser beiden Krankheitsbilder beschäftigt. Denn diese Eindeutigkeit ist wichtig.

So gilt etwa ein Test, bei dem die Vasopressin-Ausschüttung mittels einer Salzinfusion stimuliert wird, als sehr zuverlässig. «Allerdings sind wegen des starken Salzanstiegs eine ständige Überwachung und halbstündliche Salzmessungen im Blut der Patientinnen und Patienten notwendig.», erklärt Frau Prof. Christ-Crain dazu.

Ein stark vereinfachter & verträglicherer Test mittels einer Arginin-Infusion liefert ebenfalls sehr zuverlässig eine Diagnose. Auch das Arginin, eine bedingt essentielle allseits bekannte Aminosäure, stimuliert nämlich die Ausschüttung von Vasopressin.

(Mit dem Arginin hatte ich mich bereits im vor letzten Artikel vor 2 Wochen näher auseinandergesetzt. Es ging da um die Relation zum Tumor-Wachstum. Siehe: «Zusammenhang von Stoffwechsel-Störungen und Tumor-Wachstum.»)

Mit einem internationalen Team haben die Forscherinnen Christ-Crain & Refardt die beiden Tests nun direkt miteinander verglichen und die Ergebnisse dazu im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht. 

Ihre Studie mit 158 Teilnehmenden zeigte, dass mittels Salzinfusion über 95 Prozent der Patientinnen & Patienten richtig diagnostiziert werden konnten. 

Der Test mittels Arginin-Infusion führte hingegen nur in knapp 75 Prozent der Fälle zu einer richtigen Diagnose. 

Privatdozentin Frau Dr. Refardt ordnet nun dieses Ergebnis so ein: «Angesichts dieser Ergebnisse empfehlen wir den Salzinfusions-Test als Goldstandard für eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Polydipsie und Vasopressin-Defizit.»

Von dieser Art der Trunksucht sollte man als Normalo einmal gelesen haben und es auch «im Hinterkopf haben», wenn einem auffällt, dass man immer und immer wieder Wasser oder andere alkoholfreie Getränke trinkt und eine Diabetes I und II definitiv nicht vorliegt.

Warum? 

Wie oft im Leben, befördert ja nicht selten der «Kommissar Zufall» ungeahnte Erkrankungen ans Tageslicht oder man bekommt hier & da den Rat, beim Hausarzt einmal bestimmte diagnostische Fragestellungen in das Arzt-Patienten-Gespräch zu bringen.

Ärzte «lieben» ja diejenigen Patienten, die mit fixfertigen Diagnosen ihre Praxis aufsuchen. Sie leben aber auch von den spontanen Anregungen ihrer Kundschaft.

Quelle: 

Julie Refardt et al.

Arginine or Hypertonic Saline–Stimulated Copeptin to Diagnose AVP Deficiency

New England Journal of Medicine (2023), doi: 10.1056/NEJMoa2306263

https://dkf.unibas.ch/de/forschungsgruppen/forschungschwerpunkte/endokrinologie-metabolismus-entwicklungsstoerungen/forschungsgruppe-christ-crain-m/

Foto:

https://de.toonpool.com/cartoons/Trunksucht_362480

(Toonpool ist die weltgrößte Community für Cartoons und Karikaturen mit 367.803 Zeichnungen von 3.421 Künstlern aus 120 Ländern.)

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