Traurige Dinosaurier

Auszeit mit

Eine Meldung heute früh im Dschungel der medialen Bedeutungslosigkeit zieht die Aufmerksamkeit des treuen Radiohörers auf sich. Nanu? Ein Aprilscherz mitten im März? Ob´s wohl stimmt?  Noch gibt es jedenfalls von nirgendwoher auch nur den Ansatz eines Dementis – und es steht doch sehr zu befürchten, dass es auch nie eines geben wird. Deshalb ist es vermutlich so unverrückbar wie bedauerlich: per Ende März sollen die Musik-Specials aus dem Radio-Programm von SRF 3 verschwinden.

Da mag sich manch einer fragen, «Radio, was ist das?» Eine Frage, die im Zeitalter der Audio-Streaming-Dienste wie Tidal, Spotify, Deezer, Amazon Music oder Qobuz durchaus ihre Berechtigung hat. Das Radio ist in der WWW-Moderne zum Dinosaurier geworden. Und ebenderen Untergang (wir erinnern uns…) besang «Lonzo» (mit bürgerlichem Namen Lorenz Westphal), «der Teufelsgeiger von Eppendorf» genannt, schon 1980:

Noah baute seinen Kahn, da rief der liebe Gott ihn an

Du nimmst von jeder Art zwei Tiere mit auf Fahrt…

…er hievte alle Sorten Tiere in den Laderaum,

Bei den letzten beiden brach sogar der stärkste Ladebaum.

Er rief nach seinem Boss, mein Gott, was mach ich bloss, die Biester sind für meinen Kutter leider viel zu gross!

Darauf folgt:

Die Dinosaurier werden immer trauriger,

denn die Saurier dürfen nicht an Bord.

So nehmen wir auch die Agonie des einst so unentbehrlichen, urtümlich-elektronischen Hörfunks wahr. Er liegt buchstäblich in den letzten Tönen – wie die Dinosaurier vom Aussterben bedroht. Denn – was aktuell, und wohl auch in der nicht allzu fernen Zukunft, durch den Äther geblasen wird, ist jetzt schon nur noch beliebig austauschbarer Einheitsbrei – neudeutsch auch einfach als «Mainstream» bezeichnet.

Und genau deshalb wird (nur uns?) fehlen, womit die Urgesteine der radiophonen «Antike» – wie wir die Jahre kurz vor und nach der Jahrtausendwende mal salopp nennen wollen – ihre Unverwechselbarkeit zementiert haben. Der dritte Kanal des Schweizer Staatssenders war ein Aushängeschild an Kreativität und innovativem Radio-Machen. Und Basel bildete sozusagen das Auge des elektro-medialen Hurrikans. Hier arbeiteten Leute wie Christoph Schwegler, Francois Mürner, Mathias Erb oder Urs Musfeld an Programmgefässen und Music-Specials wie «Black Music Special» oder «Sounds» (von Schwegler 1976 lanciert und absoluter Kult) und letztlich auch an ihrer eigenen medialen Unsterblichkeit. Dinosaurier, die sie heute sind, hin oder her.

Tom Gisler – selbst Moderator bei DRS 3 – gestand seinem in Rente gehenden Kollegen Urs Musfeld 2017, mit seinen Spezis Schwegler und Mürner «die besten Musiksendungen der ganzen Galaxie» geschaffen zu haben. Was Gisler in diesem Gespräch nicht eingefallen ist: zu erwähnen, dass diese (Abend-)Sendungen bis heute als einziger Beweis dafür gelten, dass man bei Radio SRF 3 immer noch einen Service public leistet. Schon länger unterscheidet sich nämlich das Tagesprogramm der «Drei» kaum mehr vom anspruchslos-seichten Angebot der Privatsender.

Alleinstellungs-Merkmale – Fehlanzeige.

Wir trauern mit den Dinosauriern. Mit einem wie Christoph Schwegler beispielsweise, der in einem Interview vor fünf Jahren die Frage nach der Autonomie in der Programmgestaltung bei DRS 3/SRF 3 so beantwortete: Es gab keine Grenzen, zumindest nicht in der Basler Redaktion, wo wir mit Martin Schäfer, Francois Mürner, Urs Musfeld, Christoph Alispach und anderen gute Leute mit demselben Credo hatten: Das Engagement hinter der Musik war uns wichtiger als die spielerische Qualität. Lieber spannend falsch als langweilig richtig. Eine Haltung by the way, die in den Teppichetagen des Staatsmonopolisten nicht immer gut angekommen sei, wie man vernimmt.

In den konservativen Redaktionen von Bern und Zürich, wo Qualität als Produkt des Massengeschmacks gesehen wurde, lieferte der «Basler Weg» nicht selten umfangreichen Diskussionsstoff.

Apropos Massengeschmack. Er allein bringt heutzutage (Einschalt-)Quoten. Genau diesen wird das DRS-3-Abendprogramm jetzt geopfert. Keine Musik-Specials mehr. Adieu Rock, Reggae, Dance – der Verlust von beinahe 40% Publikum in den vergangenen vier Jahren bricht der Unverwechselbarkeit das Genick. Das zwingt die Öffentlich-Rechtlichen zum Rückzug… bald ist es einerlei, ob ich SRF 3 oder Radio Basilisk abschalte, wenn der Moderator androht, dass demnächst Baschi «Chum bring en hei» ins Mikrophon trällert.

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