Historischer Zusammenhang von Trockenheit und Religionsentwicklung

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Der Kampf um Rohstoffe & Ressourcen, zunehmend vor allem um Wasser und um politische Einflusszonen auf der Erde wurde nicht nur in der jüngeren Weltgeschichte, sondern wird auch in der Gegenwart aktiv geführt. Staaten überfallen ihre Nachbarn und wollen die Grenzen neu ziehen. 

Sehr hohe Trockenheit hatte in der Vergangenheit zum Niedergang des antiken südarabischen Königreichs Himyar beigetragen. Das berichten Forschende der Universität Basel im Fachjournal «Science»

In Kombination mit politischen Unruhen und Krieg hinterliessen diese extremen Trockenperioden im Ergebnis eine zerrüttete Region und begünstigten damals die Ausbreitung des neu aufkommenden Islam auf der arabischen Halbinsel.

Auf den Hochebenen des Jemen sind heute noch die Spuren des Königreichs Himyar zu sehen: Terassenfelder und Dämme dienten den Menschen als besonders ausgeklügelte Bewässerungssysteme, um die Halbwüste in fruchtbare Felder zu verwandeln. 

Während mehrerer Jahrhunderte war das Königreich Himyar eine feste Grösse in Südarabien. Im 6. Jahrhundert nach Christi geriet das einflussreiche Königreich jedoch in eine Krise, die in der Eroberung durch seinen Nachbarn Aksum – das heutige Äthiopien – gipfelte. 

Ein bisher unbeachteter Faktor, nämlich diese extremen Trockenzeiten könnten entscheidend zu den Umbrüchen im antiken Arabien beigetragen haben, aus denen dann im 7. Jahrhundert schliesslich der Islam hervorging.

Versteinertes Wasser als Klimaarchiv

Er und sein Team analysierte die Schichten eines Tropfsteines aus der Hoti-Höhle im heutigen Sultanat Oman. 

Die Wachstumsrate des Stalagmiten – ein Stalagmit ist der vom Boden einer Höhle emporwachsende Tropfstein – und die chemische Zusammensetzung seiner Schichten, hingen direkt davon ab, wie viel Niederschlag oberhalb dieser Höhle fiel.

Somit stellen die Form und die Isotopenzusammensetzung der abgelagerten Schichten des Stalagmiten ein so genanntes «Klimaarchiv» dar, was für die Forscher sehr wertvoll ist.

«Schon mit blossem Auge ist dem Tropfstein anzusehen, dass es eine sehr trockene Periode über mehrere Jahrzehnte hinweg gegeben haben muss», sagt Fleitmann. 

Tropft weniger Wasser auf den Stalagmiten, läuft weniger davon an den Seiten herunter. 

Der Stein wächst mit geringerem Durchmesser als in den Jahren mit hoher Tropfrate.

Die Isotopenanalyse der Gesteinsschichten erlaubt so Rückschlüsse auf die jährlich fallende Niederschlagsmenge. So entdeckten die Forschenden, dass nicht nur über lange Zeit weniger Regen fiel, sondern dass es gar eine extreme Trockenheit gegeben haben muss. 

Diese Trockenperiode konnten die Forschenden anhand des radioaktiven Zerfalls von Uran auf den Anfang des 6. Jahrhunderts n. Chr. datieren, allerdings nur auf zirka 30 Jahre genau.

Recherchearbeit am Zerfall des Halbwüsten-Königreiches Himyar

«Ob diese Dürre zeitlich direkt mit dem Zerfall des Königreichs Himyar zusammenhing oder vielleicht doch erst danach auftrat, liess sich aufgrund dieser Daten allein nicht eindeutig beweisen», so Fleitmann. 

So habe er weitere Klimarekonstruktionen aus der Region analysiert und historische Quellen durchforstet sowie mit Historikern zusammengearbeitet, um den Zeitpunkt der extremen mehrjährigen Trockenzeiten besser einzugrenzen. «Das war ein bisschen wie ein Mordfall: Wir haben ein totes Königreich und suchen den Schuldigen. Die Indizien haben uns Schritt für Schritt der Antwort nähergebracht», sagt der Forscher. 

So halfen beispielsweise Daten über den Wasserpegel des Toten Meeres sowie historische Dokumente, die eine mehrjährige extreme Trockenheit in der Region beschreiben und auf das Jahr 520 n. Chr. datieren, diese extremen Trockenzeiten tatsächlich mit der existenziellen Krise des Königreichs Himyar in einen Zusammenhang zu bringen.

«Wasser ist die wichtigste Ressource überhaupt. Dass ein Rückgang der Niederschläge und insbesondere mehrere Jahre mit extremer Trockenheit ein Halbwüsten-Königreich destabilisieren können, liegt auf der Hand», so Fleitmann. 

Die Bewässerungssysteme benötigten immer eine stetige Wartung und erforderlichenfalls auch rasche Reparaturen. Und diese waren nur mit Zehntausenden an Arbeitern zu bewerkstelligen. Die durch den Wassermangel gebeutelte Bevölkerung Himyars konnte diese Instandhaltung aber vermutlich nicht mehr gewährleisten, was die ohnehin schon schwierige Situation noch weiter verschärfte.

Politische Unruhen im eigenen Land und ein über Himyar hinwegziehender Krieg zwischen seinen nördlichen Nachbarn, dem byzantischen und dem sasanischen Reich, schwächten das Königreich Himyar zusätzlich. Als schliesslich der westliche Nachbar Aksum in Himyar einmarschierte und das Königreich eroberte, verlor das einstmals mächtige Land endgültig an Bedeutung.

Marksteine in der Geschichte

«Bei extremen Klimaereignissen denkt man oft nur an den kurzen Zeitraum danach, begrenzt auf wenige Jahre», so Fleitmann. 

Dass Klimaveränderungen die Destabilisierung von Staaten und in der Folge einen ganz anderen Verlauf der Geschichte herbeiführen können, werde oft ignoriert. «Die Not der Bevölkerung durch Hunger und Krieg war gross. Da fand der Islam fruchtbaren Nährboden: Man suchte neue Hoffnung, etwas, das die Menschen wieder als eine Gesellschaft vereinen konnte. Das bot die neue Religion.»

Damit wolle er nicht sagen, dass diese extremen Trockenzeiten direkt die Entstehung des Islam herbeigeführt habe, betont der Forscher. «Aber sie war ein wichtiger Faktor im Kontext der Umbrüche in der arabischen Welt des 6. Jahrhunderts.»

Originalpublikation: Dominik Fleitmann et al.
Droughts and societal change: the environmental context for the emergence of Islam in late Antique Arabia
Science (2022), doi: 10.1126/science.abg4044

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