Fragwürdiger Superlativ

Auszeit mit

In Basel schmückt man sich bekanntlich gerne mit Superlativen. Es tun dies insbesondere jene, die versuchen, möglichst effektvoll am Image der Stadt zu feilen. Sie halten sich in der Regel nicht zurück, wenn es darum geht, der Metropole am Rhein ein glamouröses Etikett anzuheften. «Sie», das sind die Touristiker ebenso wie die Stadtentwickler oder die Stadtkonzepter und die Standort-Marketing-Leute. Nur – in der jüngsten Vergangenheit mühten sie sich vermehrt damit ab, die Aussensicht schönzureden. Weil das lange Zeit etablierte Image der Stadt mehr und mehr an Glanz verloren hat. Weil Anspruch und Wirklichkeit sich erheblich voneinander getrennt haben. Weil verzweifelte Versuche, Attraktivität zu schaffen (wie das Flaneur Festival oder der Angriff auf die private Mobilität), bald als Aktionismus entlarvt waren und nicht als Nutzen für das Ansehen Basels.

Der Anspruch, eine Messestadt zu sein, ist mit dem Sterben der einstigen «MUBA» im Sumpf der Belanglosigkeiten untergegangen. Dem Anspruch, mit der «Basel World» der Nabel der Uhrenwelt zu sein, ist mit dem Abzug bedeutender Player wie Nick Hayek und seiner «Swatch Group» der Stecker gezogen worden. Der Anspruch, eine Shopping-Stadt zu sein, wird gerade von ein paar Tonnen Quarzsandstein-Platten erschlagen. Den Anspruch, eine Velo-Stadt zu sein, treten Vorschrifts-Unkundige und Lastenfahrrad-Pedaleure in den Fussgängerzonen mit Füssen. Oder der Anspruch, eine Fussball-Stadt zu sein, wird von Grabenkämpfen um Geld und Macht ad absurdum geführt.

Da droht also eine alles in allem dennoch grossartige Stadt mit florierender Pharmazie und einer Fasnacht, die bei der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe eingetragen ist, in der Wahrnehmung kritischer Geister allmählich in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen – und dann das: der Superlativ zu Beginn dieser Woche!

Basel, die teuerste Stadt Europas!

Wir reiben uns etwas ungläubig die Augen und werden des Superlativs Gewahr. Die teuerste Stadt Europas. Das ist ein Ding. Ob gut oder weniger gut ist erst mal ziemlich unerheblich. Es ist ein Superlativ. Die teuerste Stadt Europas. Das hört sich nach einem Nummer-1-Ranking an. Genau das, wovon jeder Touristiker, Stadtentwickler, Standort-Marketingler oder Stadtkonzepter träumt. Nummer Eins, Numero Uno, Number One. Halleluja…

Die Meldung erreicht uns von der Datenbank «Numbeo». Diese untersucht seit 2009 Aspekte wie «wie teuer kauft es sich in der Stadt ein», «was kosten Lebensmittel, was ein Besuch im Restaurant» oder «wie tief muss man in die Tasche greifen, um die Miete stemmen zu können». Das Resultat der Datensammlung: Traraa!!! Die teuerste Stadt in Europa ist Basel. By the way – die Top sechs der fünfzig teuersten Städte Europas ist eine Aufzählung der grössten Schweizer Metropolen… Rang 2: Zürich. Rang drei: Lausanne. Rang vier: Zug. Rang fünf: Bern. Rang sechs: Genf!

Okay – das Numbeo-Rating ist eine Spielerei. Und sicher mit etwas Vorsicht zu geniessen. Die Datenerfassung funktioniert nämlich ähnlich wie bei der Wissens-Plattform «Wikipedia». Weltweit kann jedermann Preis- und andere Informationen eingeben. Ausserdem greift die Webseite auf Shop-Daten zurück. Filter helfen dann bei der Bereinigung der Zahlen und errechnen Durchschnittswerte. Ein Vorgehen mit – zugegeben – erheblichem Fehler-Potential.

Soll man dieses Ranking deshalb also einfach als unprofessionell abtun? Ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Denn es gibt verlässliche Ratings, auf die sich auch international tätige Unternehmen und Regierungen verlassen. Eines davon ist das «Mercer Rating». In der Mercer Cost-of-Living Studie werden alljährlich die teuersten Städte Europas und der Welt eingereiht. Die Zahlen für das Jahr 2022 zeigen: Basel ist auch hier an der Spitze dabei. Rang eins wird – übrigens seit einigen Jahren – von der Stadt Hong Kong gehalten, gefolgt von Zürich und Genf. Bereits auf Rang vier folgt Basel! In der Top-10-Liste von Mercer sind nur vier europäische Städte vertreten – allesamt Schweizer Provenienz.

«Mercer» übrigens ist mit 25’000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mehr als 4 Milliarden Dollar die grösste Unternehmensberatungs-Firma in den USA – mit Sitz in New York. Das wiederum lässt vermuten, dass mit der Liste auswanderungswilligen Arbeitskräften, die bei uns als «Expats» ankommen, die Suche nach einer lohnenswerten Destination erleichtert werden soll. Genau deshalb publiziert Mercer auch das «Quality of living city ranking», das sich speziell an jene Menschen richtet, die im Ausland arbeiten wollen oder müssen. Sie erhalten darin Hinweise darauf, in welchen Städten die Lebensqualität besonders hoch ist. Und: in der aktuellen Quality of living city-Rangliste erscheint Basel immerhin auch schon auf Rang 10. Geschlagen von – unter anderem – Zürich auf Rang 2 und Genf auf Rang 9.

Bei den Verantwortlichen von Tourismus und Standort-Marketing zaubert dieser Fakt ein verhaltenes Lächeln ins Gesicht. Bezüglich Lebensqualität auf derart hohem Niveau mitzuspielen, lässt den Umstand, zu den teuersten Städten der Welt zu gehören, zur Marginalie werden. Sabine Horvath, die Leiterin des Standort-Marketings Basel, lässt verlauten, dass – als Stadt teuer zu sein, nicht automatisch bedeute, dass auch die Lebensqualität hoch sei…  Entsprechend aussagekräftig sei deshalb, dass Basel in beiden Bereichen oben mitschwinge…

Der Jubel derer, die von den Auswirkungen der Ratings profitieren, erstickt aber jäh im Klagen jener, die sich ein Leben in der Stadt nicht mehr leisten können. Und die werden Jahr für Jahr mehr. 1000 Menschen mit eher knappem Budget sind zum Beispiel 2021 aus dem Kanton Basel-Stadt weggezogen. Erstmals seit 2005 war demnach der Wanderungssaldo negativ. Überdurchschnittlich gross war die Abwanderung in Agglomerationsgemeinden, die nicht direkt an der Stadt angrenzen. Die Bevölkerung im Kanton Baselland nahm demgegenüber vergleichsweise stark zu.

Es fragt sich darum schon, ob es Fluch oder Segen ist, den Stempel der teuersten Stadt Europas aufgedrückt zu bekommen.

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