Die Bösen sind da: wird beim Schwingfest gemauschelt?

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«Nei, nei, sicher nöd.»

Würden Sie entrüstet auf diese Frage antworten!

Und, im Übrigen ginge an unserem grössten Volksfest doch alles mit «rechten Dingen» zu.

Die Schwinger-Welt will es in diesem Jahr nach dem Event in Zug in 2018 wieder wissen. 

An diesem Wochenende werden die 274 besten Schwinger der fünf grossen Verbände in das Sägemehl von Pratteln BL geschickt, um am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) den Schwingerkönig der Schweiz auszuschwingen. 

Wer hier in Pratteln antritt, musste sich vorher an den wichtigsten Schwingfesten des Landes beweisen, den jährlichen Kantons-, Teilverbands- und Bergkranzfesten.

An diesen Festen treffen die einheimischen Schwinger immer auch auf eingeladene Gast-Schwinger. 

Derweil wird auf den Tribünen geschnupft, getrunken und gestritten. 

Eine der umstrittensten Fragen ist dabei so alt wie der Schwingsport selbst: war die Einteilung des Kampfgerichts fair? Oder wurde ein wenig gemauschelt?

Einfluss-Faktor Geld beim Schwingsport nimmt zu

Nach wie vor gibt es im Sägemehlring der Schwinger immer noch keine Werbe-Millionäre. Bis heute. Unter den Königen gibt es aber eine ganze Reihe von Schwingern, die gemäss Kennern fünf- bis knapp sechsstellig mit und an der Werbung verdienten. 

Allerdings ist es dabei wie im richtigen Leben: fast alles an Kohle geht an die «ganz Bösen» und nur wenig Kohle bleibt für die «weniger Bösen». 

Insgesamt teilten sich Im Jahr 2018 die exakt 72 Schwinger die damals vor 5 Jahren noch im Raum stehenden 2.277 Millionen CHF an Werbeeinnahmen. Aber 80 Prozent davon kassierten eben die zehn «Bösesten der Bösen».

Eine Umfrage ergibt schon erstaunliche Summen: das Werbeeinkommen des inzwischen entthronten und in den Ruhestand getretenen «Königs» und Kilchberg-Siegers Matthias Sempach ist für das Jahr 2018 von Branchenkennern auf rund 700’000 CHF geschätzt worden. Auch Kilian Wenger, der charismatische König (von vor zwölf Jahren) damals in 2010, verdiente nach den gleichen Quellen bereits über eine halbe Million Werbe-Franken.

Es gibt kaum verlässliche Zahlen über weitere Steigerungen. Der Trend dürfte aber ungebrochen sein und weiter nach oben zeigen.

Immerhin gibt es aber heute eine gewisse Demokratisierung in der Verteilung des Geldes: 2011 teilten sich erst knapp 30 Schwinger dieses Werbegeld. Inzwischen sind es immerhin 72. «Aber der grösste Teil verdient mit der Werbung bloss einen Zustupf», sagt Verbands-Geschäftsführer Rolf Gasser. 

Schwinger, die den aktiven Sport aufgeben und weiterhin Werbung machen, sind in den ersten drei Jahren im «Ruhestand» weiterhin «reichtumssteuerpflichtig». Sie müssen aber nur noch 5% statt der üblichen 10% Prozent an den Schwinger-Verband abdrücken.

Einfluss-Faktor Werbung beim Schwingsport nimmt zu

Dabei ist die Werbung im Schwingsport vergleichsweise stark reglementiert:

in der eigentlichen Arena – also im Schwenkbereich der TV-Kameras – darf nach wie vor keine Werbung platziert werden. Hingegen ist es den «Bösen» heute erlaubt, «auf Mann» Werbung zu machen.

Verboten ist dabei aber jede Werbung, die anstössig oder sexistisch ist, und die die politische Neutralität des Schwingers verletzt oder für Mittel wirbt, die mit den Grundwerten des Schwingens nicht zu vereinbaren sind. 

Es sind auch nur lediglich Werbeaufschriften in der Grösse von maximal 90cm2 auf Kleidungsstücken erlaubt, nicht aber auf dem Wettkampf-Tenü und auf der Festbekleidung. 

Das bedeutet, dass ein Schwinger dann, wenn er im Sägemehl kämpft und im Fokus der TV-Kameras steht, keinerlei Werbeaufschriften tragen darf.

Immerhin darf ein Schwinger bei Werbekampagnen mit Festbekleidung und Kranz, in Wettkampftenüs und Schwingerhosen auftreten. Alle PR- und Werbeaktivitäten sowie Werbeverträge müssen übrigens durch den Verband genehmigt werden.

Schwingerkönig Christian Stucki betrat heute früh um 8 die Arena hier in Pratteln mit einem königsblauen Käppeli vom Sponsoren Lidl Schweiz. Das sah ganz lustig aus und war aber überhaupt nicht passend. Und dann noch eines mit dem Logo eines (deutschen) Milliardenkonzerns, auch wenn es sich hier um die Schweizer Tochtergesellschaft ist handelt.

Aber darüber regt sich niemand mehr auf.

Es liegt in der menschlichen Natur begründet, dass dort wo immer mehr Geld im Spiel ist zunehmend mit härteren Bandagen gekämpft wird.

Unlängst kam die Frage auf, ob es nun beim «Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest» mit rechten Dingen zugehen würde. 

Eine exklusive Daten-Analyse von Bajour und dem Schweizer Fernsehen dazu beweist: 

Wenn ein Schwingklub eines Teilverbands ein Fest durchführt, werden nicht alle Schwinger gleichbehandelt.

Die Schwinger des Heimverbands haben es leichter bis zum Kranz und zur Muni (der ausgelobten Kuh) und die Gäste haben es systematisch schwieriger. 

Es ist ein System mit Ansage. Und fast alle sind gleich davon betroffen. Ein wenig so, als wenn im 100-Meter-Lauf einige Läufer nur 95 Meter und andere 105 Meter sprinten müssten. 

Die obige Grafik fasst das Ergebnis von 40’000 analysierten Zuteilungen aus 150 grossen Schwingfesten seit 2016 zusammen. 

Dabei wurde ein spezieller Algorithmus verwendet, um möglichst exakt das aktuelle Niveau eines Schwingers während eines Festes und bei jedem Gang zu messen. So war es möglich auszuwerten, ob zwei eingeteilte Schwinger aktuell auf Augenhöhe kämpfen – oder ob ein Gegner deutlich stärker oder schwächer ist – und die Einteilung tendenziell unfair war.

Die Punkte oberhalb und der ansteigenden Linie (1) sind dabei Schwingfeste, bei denen die internen Schwinger bevorteilt wurden. 

Konfrontiert mit diesen Ergebnissen sagt Stefan Strebel, der Technische Leiter beim Eidgenössischen Schwingverband: «Diskussionen zur Einteilung wird es immer geben, aber das gehört zum Schwingsport dazu.»

Und was sagen die benachteiligten Schwinger? 

Zumindest öffentlich beklagt sich niemand, besagt doch ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein Schwinger seine Zuteilung einfach mal zu akzeptieren habe. 

Dafür spricht Matthias Sempach, der mittlerweile zurückgetretene Schwingerkönig von 2013 diesen Klartext:«Mein Vorschlag wäre, dass in Zukunft an diesen Schwingfesten, vor allem an den Bergfesten, von jedem Teilverband gleich viele Leute in der Einteilung sitzen.»

Worum geht es?

Um die Frage der Einteilung beim Paaren.

Diese Frage nach der fairen Einteilung sorgt immer wieder für rote Köpfe, zuletzt etwa am Bergkranzfest auf dem Stoos (Morschach SZ). Der Grund dafür ist eine Eigenheit des Schwingsports. 

Im Gegensatz zu den transparenten Spielplan-Regeln vieler Sportarten ist es beim Schwingen so, dass vor jedem Gang (Kampfrunde) ein Gremium aus drei bis sechs sogenannten Einteilern entscheidet, wer als nächstes gegen wen schwingen muss. 

Dieses Gremium besteht mehrheitlich aus Männern jenes Verbands, auf dessen Gebiet das Fest stattfindet. Ihr Auftrag ist es, auf der Basis der aktuellen Zwischenrangliste möglichst ausgewogene Paarungen zu bilden. 

Die Entscheide finden in einem Raum unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Transparenz darüber, wie die Paarungen zustande kommen, gibt es somit keine.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es nach Einteilungen immer wieder zu Diskussionen kommt. Der Vorwurf lautet meistens, dass das Einteilungsgremium die Schwinger des eingeladenen Gastverbandes benachteiligt – und ihnen mit besonders schwierigen Gegnern ein besonders hartes Programm aufdrücke. 

Und im Umkehrschluss: die Schwinger des Heimverbandes bevorteile und ihnen besonders leichte Gegner zuteile. Quasi ein «herbeigemischelter» Heimvorteil.

Gemunkelt wird, dass die Schwingrichter ihre Lieblingsschwinger absichtlich mit unterlegenen Gegnern paaren.

Gast-Schwingern, die in den Gängen drei bis fünf noch eine Chance haben in den Schlussgang zu kommen, werden tendenziell schwierigere Gegner zugeteilt als einheimischen Schwingern in derselben Situation. 

Damit bestätigt sich das ungeschriebene Gesetz: Wenn es um den Einzug in den Schlussgang geht, legt man den Gästen besonders harte Brocken in den Weg.

Von dieser Praxis scheinen die Einteilungsgremium aller Teilverbände Gebrauch zu machen. Was fast demokratisch anmutet.

«Es ist alles in Ordnung.» 

Werden Sie sagen. Alles ginge mit «rechten Dingen» zu.

Fazit: es wird beim Schwingfest somit nicht gemauschelt! Nur ein wenig gemischelt. 

Oder wie der fremdsprachige Schwing-Festbesucher – nach P

ratteln BL mit seinen 42% Ausländeranteil – vor langer Zeit Zugereiste in der ihm eigenen langjährig kultivierten Ausdrucksweise sagt: »Alles gut. Alles gut.»

Zum Weiterlesen empfehle ich einen Beitrag in der «Basler Zeitung» BAZ vom vorgestrigen 25. August 2022 mit dem Titel “Muni oder Moneten», darüber, warum sich die Schwinger eher für die Moneten als für die Kuh entscheiden.

https://www.bazonline.ch/die-30000-stutz-frage-lautet-muni-oder-moneten-601720233752

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