Den Tumor nachbauen & besser verstehen

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Was zunächst etwas unverständlich klingt, hat aber einen tieferen Sinn: noch bessere Therapiemöglichkeiten suchen und finden. Über Nachbauten – Organoide genannt.

Raphaëlle Servant von der Forschungsgruppe Dr. Clémentine Le Magnen von der Medizinischen Fakultät der Uni Basel baut die Tumore im Kleinstformat nach. 

Sie ist Doktorandin am Departement Biomedizin in der Forschungsgruppe von Dr. Clémentine Le Magnen, die sich vorgenommen hat, den Krebs eines jeden Patienten besser zu verstehen. Frau Servant will mit solchen nachgebauten Organoiden letztlich massgeschneiderte Behandlungen ermöglichen. Sie forscht dazu speziell an den Prostata-Krebszellen.

Den männlichen Patienten entnehmen die Urologen eine Biopsie des Tumors und schicken sie in die Pathologie. Dort untersuchen die PathologInnen die Gewebeprobe und geben einen Schnitt mit Tumorzellen an Raphaëlle Servant und ihre Kolleginnen weiter. Diese präpariert daraus Teile für Analysen und für die Organoide. Das sind quasi im Labor gezüchtete Minitumore, die dem Original möglichst ähnlich sein sollen.

Um diese Organoide zu erhalten, wird ein Stück der Biopsie in einzelne Zellen zerlegt. Danach pflanzt sie Frau Servant in einer Petrischale auf eine gelartige Matrix, die den Krebszellen ermöglicht, in 3D zu wachsen. In einer Nährlösung mit verschiedenen Wachstumsfaktoren bilden sich allmählich Kügelchen, die im besten Fall ein genaues Abbild des ursprünglichen Tumors sind.

Langfristig sollen diese Organoide helfen, verschiedene Therapien für den jeweiligen Krebs im Labor vorab zu testen und diejenige Behandlung zu identifizieren, die beim Patienten den bestmöglichen Erfolg bringt. 

Dieses translationale Forschungsprojekt ist nur durch die Zusammenarbeit von Urologinnen, Pathologen und Forscherinnen möglich. Wäre dies bereits früher möglich gewesen, hätte der einzelne Patient eine Therapieform erhalten, die spezifisch auf seinen Krebs zugeschnitten wäre.

Momentan sind die Forschenden aber noch nicht so weit. Da Prostatazellen sehr heterogen sind, sei es schwierig, die richtigen, also zu Krebszellen mutierten zu erwischen, so Frau Servant. «Es dauert mehrere Wochen, bis die Organoide so gross sind, dass wir sie untersuchen können. Und oftmals haben wir dann doch nicht die Krebszellen erwischt, sondern gutartige Zellen.» 

Im besten Fall dauert es rund einen Monat, bis die Organoide auf eine brauchbare Grösse angewachsen sind, die bei etwa 50 Mikrometern Durchmesser liegt. «Im Moment ist das bei jeder fünften unserer Proben der Fall.», schätzt Frau Servant.

Ein Grossteil ihrer Arbeit besteht deshalb auch darin, gute Wachstumsbedingungen für die Prostatazellen zu finden, damit sie in den Petrischalen gedeihen. 

Denn hier fangen die Schwierigkeiten bereits an: der grosse Vor- und gleichzeitig Nachteil von Prostatakrebs ist, dass er eher langsam wächst. Das bedeutet, dass die Forschenden nach der Prostatabiopsie verhältnismässig lange Zeit haben, den jeweiligen Tumor zu analysieren, ohne dass der Krebs im Patienten zu weit fortschreitet. Andererseits dauert es aber auch eher lange, bis die Organoide gross genug sind, um sie testen zu können.

Neben Prostatakrebs untersucht die Forschungsgruppe von Dr. Clémentine Le Magnen auch den Nieren- und Blasenkrebs, beides Krebsarten, die ebenfalls verhältnismässig langsam wachsen. 

Wenn Frau Servant dann Erfolg hat und die Krebsorganoide wachsen, kann sie an ihnen Therapietests durchführen. Bei den Tests geht es insgesamt darum, unterschiedliche Krebsmedikamente anzuwenden und die optimale Dosierung des optimalen Wirkstoffes herauszufinden.

«Nachdem wir mit viel Zeit und Mühe herausgefunden haben, wie die Zellen am besten wachsen, wollen wir untersuchen, wie wir sie am besten abtöten.», fasst Servant zusammen. «Es gibt 1500 chemische Verbindungen, die sich als Krebsmedikamente eignen.», erklärt die Doktorandin. Und es komme auf die Eigenschaften jedes einzelnen Tumors an, welche Kombination an Substanzen da die beste Wirkung bringt.

Die Medikamente können die Forschenden mittlerweile automatisiert testen: ein Gerät, das Ähnlichkeit mit einem kleinen Drucker hat, kann die unterschiedlichen Wirkstoffe in exakt definierten Mengen in die einzelnen Petrischalen spritzen. Sterben die Organoide ab, wissen die Forschenden, dass das Medikament wirkt. Und mit den unterschiedlichen Dosierungen können sie justieren, wie viel des jeweiligen Medikaments ausreichend ist um die Krebszellen auszumerzen, aber die gesunden Körperzellen nicht unnötig zu schädigen.

Ein bekanntes Problem bei der Prostatakrebs-Behandlung ist, dass der Krebs häufig zurückkommt und resistent gegen die Behandlung geworden ist. Weshalb das passiert, müssen die Forschenden erst noch herausfinden.

Dafür ist in der Forschungsgruppe Herr Romuald Parmentier zuständig. Der Postdoc analysiert die mRNA jeder einzelnen Zelle der Organoide und der Tumore, um ihre genaue Beschaffenheit kennenzulernen. So erhoffen sich die Forschenden daraus Rückschlüsse ziehen zu können: wenn resistente Krebszellen eine bestimmte Signatur aufweisen, lässt sich anhand dieser herausfinden, ob bei einem Tumor eine chemische Kastration ausreicht oder nicht. Entsprechend kann die Therapie dann angepasst werden.

Bis es so weit ist, dass die Forschungsgruppe Therapieempfehlungen an die behandelnden Ärztinnen abgeben kann, wird es aber wohl noch einige Zeit dauern. 

Frau Raphaëlle Servant schliesst ihr Doktorat indes bald ab. Sie ist optimistisch, dass sie auf dem richtigen Weg sind: «Wir lernen immer mehr über die Organoide und wie sie am besten wachs

en. Wenn wir diesen Teil optimiert haben, sind wir der Lösung ein grosses Stück näher.»

Quelle: https://biomedizin.unibas.ch/en/research/research-groups/le-magnen-lab/

Foto: Zirkulierende Tumorzellen aus dem Blut einer Patientin mit Brustkrebs, Universität Basel

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