(Bern)(PPS) Der Bundesrat hat heute seinen Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2021 veröffentlicht. Die dramatischen Auswirkungen der Covid-Pandemie auf Entwicklungs- und Schwellenländer nehmen darin viel Platz ein. Zu den verpassten Chancen, durch innovative Finanzmittel und gelockerte Patentregeln die ärmsten Menschen zu unterstützen, schweigt er. Die Schweiz muss jetzt endlich mehr tun.
Der Bericht erwähnt die zentrale Bedeutung der öffentlichen Gelder in der internationalen Zusammenarbeit (IZA). Obwohl diese global um 3,5% zugenommen haben, reicht das bei weitem nicht aus, um nur schon den pandemiebedingten Rückgang der Überweisungen von ArbeitsmigrantInnen in ihre Herkunftsländer zu kompensieren. Die Schweizer IZA liegt mit 0.48% des Bruttonationaleinkommens weit vom international vereinbarten 0.7%-Ziel entfernt.
Der Bundesrat unterschlägt eine einfache Möglichkeit, den Entwicklungs- und Schwellenländern finanziell unter die Arme zu greifen, vollständig: Im August 2021 hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen Mitgliedern neu geschaffene Sonderziehungsrechte (SZR) im Umfang von insgesamt 650 Mrd. US-Dollar zugeteilt. Damit können innerhalb bestimmter Grenzen andere Währungen gekauft werden, die ärmsten Länder erhielten aber nur einen verschwindend kleinen Teil davon. «Die Schweiz braucht nie und nimmer zusätzliche Reserven, sie sollte also die erhaltenen 5,5 Mrd. Dollar ärmeren Ländern zur Verfügung stellen», fordert Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud.
Mehr Schulden-Transparenz
Die Schweiz beherbergt den siebtgrössten Finanzplatz der Welt und ist die wichtigste Drehscheibe im globalen Rohstoffhandel. Sowohl Schweizer Banken wie Rohstoffhändler sind für Entwicklungsländer zentrale private Gläubiger. Der Bundesrat stellt zurecht fest, dass sich die Schuldenkrise im globalen Süden auf Grund der anhaltenden Corona-Krise und der erwarteten Zinswende in den USA weiter verschärft. Er hat sich aber im letzten Jahr nicht darum bemüht, Schweizer Banken und Rohstoffhändler zu mehr Transparenz in ihren Kreditbeziehungen mit Staaten des Südens zu bewegen. Ein schwerwiegendes Versäumnis, sagt Missbach: «Ohne die Beteiligung der privaten Gläubiger wird sich die Schuldenkrise im globalen Süden nicht entschärfen lassen und Transparenz ist dabei eine Voraussetzung, um Lösungen zu finden. Hier muss die Schweiz dringend nachholen.»
Patentschutz lockern
Zurecht schreibt der Bundesrat, dass ein schneller Fortschritt bei den Impfkampagnen der Entwicklungs- und Schwellenländer für die globale Gesundheit und die weltweite wirtschaftliche Erholung entscheidend sei; de facto torpediert er aber wichtige Bemühungen, um den Zugang zu Impfstoffen auch im globalen Süden zu vereinfachen.
Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die sich in der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die vorübergehende Aufhebung des Schutzes des geistigen Eigentums auf Impfstoffe, Tests und Behandlungen gegen Covid-19 aussprechen. «Die Schweiz muss endlich aufhören, diese Verhandlungen zu blockieren, zumal sie ab Juli den Vorsitz im Generalrat führen wird, einem Gremium, das die Macht hat, Entscheidungen zu treffen, ohne auf eine hypothetische Ministerkonferenz zu warten, die wegen der Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben werden könnte», sagt Missbach.
Menschenrechte und Klimafinanzierung stärken
Auch der zahnlose indirekte Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative ist eine verpasste Chance, um die Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes durch Schweizer Konzerne zu gewährleisten. Es ist höchste Zeit, eine Gesetzgebung zu verabschieden, die Konzerne verpflichtet, Menschenrechte und Umweltstandards bei ihren Auslandtätigkeiten zu respektieren. «Der Bundesrat muss so schnell wie möglich einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten, der mit den internationalen Standards und den bereits von mehreren EU-Ländern verabschiedeten Gesetzen harmonisiert ist», sagt Missbach.
Was den Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise betrifft, so begrüsst Alliance Sud zwar die Erhöhung des jährlichen Beitrags für die IZA, doch angesichts ihrer wirtschaftlichen Bedeutung muss sie mindestens 1%, d. h. 1 Milliarde Franken pro Jahr, zur internationalen Klimafinanzierung beitragen, ohne die bestehende Entwicklungszusammenarbeit zu belasten.