Ode an die … Freude

Auszeit mit

Das links-grüne Basel ist gemeinhin für eine – sehr moderat formuliert – wenig autofreundliche Politik bekannt. Es schmelzen, zum Beispiel, die Parkplätze selbst in den Aussenquartieren schneller dahin als der Schnee an der Frühlingssonne. In der Innenstadt ist die Gefahr, von einem Lastenrad (mit drei Kleinkindern im Transportkorb) oder einem übermotorisierten E-Trottinett über den Haufen gefahren zu werden um ein Mehrfaches grösser, als die, auf der Kühlerhaube eines Autos zu enden. Es gilt als «chic», Autos und ihre Piloten auf´s Korn zu nehmen. Lisa Mathys, die Co-Präsidentin der SP, lässt sich sogar mit dem Zitat vernehmen: «Die Freiheit, jederzeit in sein Auto zu steigen, müssen wir hinterfragen.» Und sie fordert unverblümt einen Paradigmenwechsel in der Basler Verkehrspolitik

Wir sind alarmiert.

Beim Terminus «Freiheit» reagieren wir sensibel. Eben wagen wir es nach zwei Jahren Pandemie-Restriktionen wieder, an eine ausgedehnte Motorrad-Tour oder an eine Ausfahrt mit dem Cabriolet zu denken, da lesen wir Frau Mathys´ Kampfansage.

Höchste Zeit für eine Ode an die – motorisierte – Freude.

Joni Mitchell hatte verdammt recht, als sie ihren Song «Big Yellow Taxi» schrieb. Vielleicht erinnern sie sich:

They paved paradise – and put up a parking lot – with a pink hotel, a boutique and a swinging hot spot…

Für wenig Anglophile etwa: «Sie haben das Paradies gepflastert und einen Parkplatz angelegt, mit einem rosa Hotel, einer Boutique und einem aufregenden Brennpunkt…» Im Kern geht es darum, dass wir alle eigentlich gar nicht wissen, was wir an den Dingen haben. Bis sie dann weg sind. Der Song stammt aus dem Jahr 1970, und die kanadische Musikerin hatte natürlich keine Ahnung vom Stillsitzen, von den ewigen Wiederholungen und der Energielosigkeit dieser letzten beiden Big-C-Jahre («C» für Corona…). Und ohnehin: Was für ein Segen, dass das gerade wieder leichter wird!

Doch jedes Zurückkommen aus Stille und Dunkelheit ist nicht ohne. Da ist die Erkenntnis über das, was man in jener Zeit vermisst hat. Aber vielleicht eben auch eine gewisse Ungelenkheit im Umgang mit der wiedererlangten Freude. Die Maschine des Empfindens muss sich warmlaufen. Gerade wenn es um die motorisierten Fortbewegungsmittel – das Auto oder das Motorrad – geht.

Mit ein paar praktizierten Übungen ist das kein Problem. Idealerweise führt man sie physisch aus. Sie sich vorzustellen, funktioniert aber auch ganz gut.

Zum Beispiel Motorradwäsche. Schauen sie bitte nicht pikiert! Das ist eine sehr gute Art, die Freude an seinem Fahrzeug aufzupolieren, egal wie alt oder neu das Ding ist. Ob man mit dem Hochdruckreiniger zugange ist, oder dem Schmutz mit einem Lappen und einem Eimer Seifenwasser zu Leibe rückt und am Ende den Chromstahl hirschlederveredelt. Durch das Handanlegen verdichtet sich das Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Maschine wieder. Und vielleicht findet man die lange vermisste Sonnenbrille oder einen Lippenstift in der linken Saccoche. Und in der rechten ein Quittungs-Ticket der Autobahn-Gebührenstelle bei Genua von damals. Gefühle zuhauf! Von der Freude an der neuen Sauberkeit ganz zu schweigen.

Zweitens Sinnesschulung. Falls verfügbar, macht man am besten einen kleinen Ausflug mit dem Cruiser mit dem weit ausladenden Lenker. Je mehr «Easy Rider», desto besser. Dazu alle Ablenkungen wie Radio und das Navigationssystem wegschalten und konzentriert verfolgen, was der Körper tut: das Anziehen und Loslassen der Kupplungs- und der Bremshand, die automatisierte Synchronität von linkem Kupplungsfuss und ebendieser Kupplungshand, der Gegendruck aus dem Becken beim Bremsen mit dem rechten Fuss. Erster, zweiter, dritter Gang, zurück in den zweiten und wieder in den dritten. Gas, Bremse, wieder Gas. Man kann süchtig werden!

Und dann Tanzen. Programmatisch oder zufällig. Jedem begegnet irgendwo und irgendwann eine Etappe mit schönem Kurvenverlauf. Wenn die Verkehrslage passt – frühmorgens, in der Abenddämmerung – , fährt man sie ein paarmal, mit Augenmerk auf den Swing, den das Hin und Her der Fliehkräfte und Momentverschiebung erzeugt. Beim Festschreiben in der Erinnerung hilft es, dabei nicht mit einem Vollvisierhelm zu fahren. Dann mischt sich der Geruch von frisch gemähten Wiesen mit der Maschinenmusik von Drehzahl, Auspuff oder Reifenabrollen und wirkt in der Tiefe. Wie Meditieren in Bewegung oder Yoga am überbreiten Lenker. Aber auf jeden Fall immer erfrischend.

Wer diesen Frühlingsgruss an den Zweizylinder verinnerlicht, wird übrigens auch im ökologischen Sinn ein besserer Mensch. Jeder glückliche Kilometer ist ein guter Kilometer.

Man braucht nämlich viel weniger davon, um die Sehnsucht nach grosser Freiheit in der Welt zu stillen. Auf die Freiheit verzichten, das werden wir, liebe Frau Mathys, aber ganz bestimmt nicht.

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